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DGB-Chef Hoffmann verlangt „klares Zeichen“ von EU-Sozialgipfel

DGB-Chef Hoffmann verlangt „klares Zeichen“ von EU-Sozialgipfel

Reiner Hoffmann - Bild: DGB/Detlef Eden

Vor dem EU-Sozialgipfel hat DGB-Chef Reiner Hoffmann die Staats- und Regierungschefs aufgefordert, „verbindliche Regeln“ für den Schutz von Arbeitnehmerrechten festzuschreiben. Nötig sei „ein ganz klares Zeichen, dass soziale Grundrechte Vorfahrt haben“, sagte Hoffmann der Nachrichtenagentur AFP. Angesichts der Herausforderungen durch Klimawandel und Digitalisierung sei eine „Stärkung der sozialen Dimension der EU“ nötig. Dazu forderte Hoffmann auch eine Änderung der EU-Verträge und die Aufgabe der bisherigen Verschuldungsregeln.

Im portugiesischen Porto findet am Freitag und Samstag erstmals seit 2017 wieder ein EU-Sozialgipfel statt. Er soll sich mit der Umsetzung der Beschlüsse des vorangegangenen Treffens im schwedischen Göteborg befassen. Dort hatten die Staats- und Regierungschefs eine „europäische Säule sozialer Rechte“ vereinbart, die vom Anrecht auf lebenslange Weiterbildung über „angemessene Mindestlöhne“ bis zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern reicht.

„Die Schritte zur praktischen Umsetzung stehen noch aus“, sagte Hoffmann. Hier müsse der Gipfel jetzt Ergebnisse bringen. Unverständnis äußerte der DGB-Chef darüber, dass die Bundesregierung bei der Frage europäischer Mindestlöhne wegen Streits zwischen der SPD und der Union „in Porto nicht sprachfähig sein wird“. Deutschland dürfe hier auf europäischer Ebene „nicht auf der Bremse stehen“.

Der DGB-Vorsitzende mahnte die Mitgliedstaaten insgesamt, die Situation angesichts der erwarteten Verwerfungen durch die Anpassung an den Klimawandel und die Digitalisierung ernst zu nehmen. „Es kommt jetzt wirklich darauf an, neben feierlichen Erklärungen deutlich zu machen, dass Europa gute Arbeit schützt“, sagte er. „Wenn man das Vertrauen in die EU stärken und ein weiteres Auseinanderbrechen verhindern will, muss jetzt Gas gegeben werden.“

Hoffmann begrüßte vor diesem Hintergrund einen im März von der EU-Kommission vorgestellten Aktionsplan zur Umsetzung der Göteborg-Beschlüsse. Die Behörde hatte drei Hauptziele bis 2030 vorgeschlagen: eine Beschäftigungsquote von mindestens 78 Prozent, Fortbildung für mindestens 60 Prozent der Erwachsenen pro Jahr und die Verringerung der Zahl von Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um mindestens 15 Millionen.

Für Hoffmann setzt das Erreichen der Ziele voraus, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, „in den nächsten zehn Jahren ambitioniert zu investieren“. Es dürfe „kein Zurück zur Austeritätspolitik“ geben.

Der DGB-Chef bekräftigte dabei die Forderung, die bisher geltenden EU-Verschuldungsregeln für die Mitgliedstaaten aufzugeben. Die Obergrenzen für die Gesamtverschuldung von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung und von drei Prozent beim jährlichen Haushaltsdefizit seien „ein Anachronismus und müssen dringend reformiert werden“, sagte er. Nur so könne Europa Investitionsprogramme auflegen, die „wir in Zeiten der Transformation zur Bewältigung von Klimawandel und Digitalisierung dringend brauchen“.

Mittelfristig hält Hoffmann auch eine Änderung der EU-Verträge für nötig, um Europa sozialer auszurichten. Er verwies dabei auf „zum Teil fatale, zum Teil auch widersprüchliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs“. Diese habe immer wieder wirtschaftlichen Rechten im Binnenmarkt, etwa der Waren- und Dienstleistungsfreiheit, Vorrang vor sozialen Grundrechten eingeräumt.

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