In Myanmar hat am Dienstag ein weiterer Prozess gegen die von der Militärjunta entmachtete De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi begonnen. Die 75-Jährige sei „bei guter Gesundheit“ zu der Anhörung in Naypyidaw erschienen, sagte ihre Anwältin Min Min Soe der Nachrichtenagentur AFP. Sie habe sich vor Gericht noch nicht zu ihrer Verteidigung äußern können, sei aber „widerstandsfähig und zeigt sich zuversichtlich“.
In dem am Dienstag begonnenen Verfahren wird der Vorwurf der Aufforderung zum Aufruhr erhoben. Neben Suu Kyi sind auch der entmachtete Präsident Win Myint und Myo Aung, der der Spitze von Suu Kyis Partei NLD angehört, angeklagt. Journalisten waren zu dem Gerichtstermin nicht zugelassen. Ein AFP-Reporter berichtete von einem großen Polizeiaufgebot vor dem Gerichtsgebäude.
Das Militär hatte Anfang Februar die Macht in Myanmar an sich gerissen. Seitdem wurde Suu Kyi mit einer Reihe von strafrechtlichen Anschuldigungen überzogen. Am Montag hatte bereits ein erster Prozess wegen Verstoßes gegen Corona-Auflagen und des Imports von Funkgeräten ohne Genehmigung begonnen.
Die Politikerin ist außerdem wegen Verstoßes gegen ein aus der Kolonialzeit stammendes Gesetz zu Staatsgeheimnissen und Korruption angeklagt. Sie soll angeblich 600.000 Dollar in bar und rund elf Kilo Gold an Bestechungsgeldern angenommen haben. Diese Anschuldigungen wiegen am schwersten, ein Prozesstermin wurde für die Anklagepunkte noch nicht genannt.
Sollte Suu Kyi in allen Punkten schuldig gesprochen werden, drohen der Nobelpreisträgerin mehr als zehn Jahre Haft. Schon unter der vorherigen Militärdiktatur hatte sie mehr als 15 Jahre in Hausarrest verbracht. Beobachtern zufolge sind sämtliche Vorwürfe politisch motiviert, um die Politikerin kaltzustellen.
Die Armee hatte ihren Putsch Anfang Februar mit angeblichen Manipulationen bei der Parlamentswahl im November begründet, die Suu Kyis Partei gewonnen hatte. Seit dem Putsch sieht sich die Junta massiven, fast täglich stattfindenden Protesten gegenüber.
Armee und Polizei gehen mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vor. Nach Angaben von Aktivisten wurden seit dem Putsch mehr als 860 Zivilisten getötet.