Immunologen haben angesichts der zunehmenden Ausbreitung der sogenannten Delta-Variante des Coronavirus auch in Deutschland die Politik aufgerufen, sich intensiv auf eine neue Corona-Welle im Herbst vorzubereiten. „Es ist fest davon auszugehen, dass spätestens im Herbst die Delta-Variante die dominierende Variante in Deutschland sein wird“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), Carsten Watzl, der „Augsburger Allgemeinen“ vom Donnerstag.
Zur Vorsicht mahnte er wegen der zuerst in Indien nachgewiesenen Virusvariante besonders an Schulen. „Wenn man die Infektion nicht einfach unter den Schulkindern durchlaufen lassen will, muss man sich spätestens jetzt an Konzepte wie Luftfilter machen, um nicht im Herbst wieder die Schulen zumachen zu müssen“, mahnte Watzl.
Vor allem „wenn sehr viele Kinder nicht geimpft sind und die Delta-Variante im Herbst kommt, droht in den Schulen wieder ein stärkeres Ausbruchsgeschehen“, warnte der Immunologe weiter. Allerdings wäre es auch „blauäugig, nur auf die Impfungen von Kindern zu setzen“ – schon allein deswegen, weil es für die meisten von ihnen noch gar keine Impfstoffe gebe.
Derzeit ist nur der Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Impfungen in dieser Altersgruppe aber bislang nur bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren und rät zu ärztlichen Einzelfallentscheidungen.
Umso mehr rief Watzl alle noch nicht geimpften Erwachsenen auf, jetzt nicht wegen der niedrigen Inzidenzzahlen mit dem Impfen zu zögern. „Wenn die Zahlen im Herbst ansteigen, kann es zu spät für die Impfung sein, da die Erstimpfung noch nicht einen starken Schutz gegen das Virus bietet und es bis zum vollen Schutz rund eineinhalb Monate dauert“, sagte der Immunologe. Zahlen aus Großbritannien belegten klar, dass erst nach der zweiten Impfung ein ausreichender Immunschutz gegen die Delta-Variante bestehe.
Für den Sommer gibt Watzl allerdings in Deutschland Entwarnung. Momentan könne sich das Virus dank der niedrigen Infektionszahlen nicht schnell ausbreiten. „Deswegen kann man aktuell davon ausgehen, dass uns die Delta-Variante im Sommer noch keine großen Probleme machen wird, wenn wir bei den Lockerungen nicht unvorsichtig werden.“ Besonders bei Urlauben im Ausland und bei Reiserückkehrern sei erhöhte Vorsicht angebracht.
Laut den jüngsten Daten, die das Robert-Koch-Institut (RKI) am Mittwoch veröffentlicht hatte, lag der Anteil der Delta-Variante an allen genauer untersuchten Corona-Infektionen in Deutschland in der 22. Kalenderwoche (ab 31. Mai) bei 6,2 Prozent. In der vorangegangenen Woche waren es lediglich 3,7 Prozent gewesen. Laut RKI wurde die Delta-Variante bereits in allen Bundesländern nachgewiesen. Lediglich in zehn Prozent der Fälle sei die Ansteckung mit dieser Virusmutante mutmaßlich im Ausland erfolgt.