Website-Icon Nürnberger Blatt

Studie: In vielen Großstadt-Haushalten zehren die Mieten die Einkommen auf

Studie: In vielen Großstadt-Haushalten zehren die Mieten die Einkommen auf

Miete - Bild: TatianaMara via Twenty20

Für die Miete müssen viele Haushalte in Großstädten einer Studie zufolge so viel Geld aufbringen, dass sie mehr als 30 Prozent ihres Einkommens dafür zahlen. Wie aus der am Dienstag von der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten Untersuchung hervorgeht, liegen 49,2 Prozent der rund 8,4 Millionen Großstadt-Haushalte bei der Bruttowarmmiete oberhalb dieser Marke. Außerdem fehlen demnach mehr als 1,5 Millionen angemessene Wohnungen.

Von Mietkosten über der 30-Prozent-Schwelle betroffen sind der Studie zufolge mehr als 4,1 Millionen Haushalte, in denen etwa 6,5 Millionen Menschen leben. Eine Mietbelastungsquote oberhalb von 30 Prozent des Haushaltseinkommens gelte „insbesondere bei Haushalten mit niedrigerem Einkommen als problematisch“, erklärte die gewerkschaftsnahe Stiftung. Denn dann bleibe nur noch relativ wenig Geld zur sonstigen Lebensführung. Auch viele Vermieter ziehen hier eine Grenze, weil sie daran zweifeln, dass Mieter sich die Wohnung dauerhaft leisten können.

Gut ein Viertel (25,9 Prozent) der Haushalte in den 77 deutschen Großstädten müssen laut der Studie sogar mindestens 40 Prozent ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten aufwenden – das entspricht knapp 2,2 Millionen Haushalten mit rund 3,1 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern. Knapp zwölf Prozent oder fast eine Million Haushalte müssen gar mehr als die Hälfte ihres Einkommens dafür zahlen.

Für die Studie wertete ein Forschungsteam um den Stadtsoziologen Andrej Holm von der Berliner Humboldt-Universität die jüngsten verfügbaren Daten des Mikrozensus aus. Die Untersuchung liefert demnach für 2018 auch detaillierte Zahlen für jede einzelne Großstadt in der Bundesrepublik.

Der Untersuchung zufolge stiegen zwar in den vergangenen Jahren auch bei Großstadtbewohnern die Einkommen im Mittel stärker als die Wohnkosten. Dabei zeigten sich aber große soziale Unterschiede: So habe die Mietbelastung in Haushalten an der Armutsgrenze, die beim Einkommen maximal 60 Prozent des Medians haben, rund 46 Prozent betragen. Median bedeutet, dass 50 Prozent der Haushalte darüber liegen und 50 Prozent darunter.

Dagegen müssen Mieterhaushalte mit einem hohen Einkommen von mehr als 140 Prozent des Medians im Mittel lediglich knapp 20 Prozent davon für die Warmmiete ausgeben. Die Autoren sehen deshalb eine weitere „Polarisierung“ der Wohnungssituation. Auch im zeitlichen Vergleich von 2006 bis 2018 zeige sich, „dass sich die sozialen Ungleichheiten im Bereich des Wohnens verschärft und hohe Mietkostenbelastungen verfestigt haben“.

Die Wohnungsnot in Großstädten sei trotz verstärkter Bautätigkeit „allenfalls geringfügig gelindert“ worden. Bundesweit gebe es ein Defizit von über 1,5 Millionen Wohnungen, die selbst bei einer hypothetisch angenommenen optimalen Verteilung des Wohnraums in den Großstädten fehlten, erklärte Holm und forderte zur Verbesserung der Situation unter anderem mehr sozialen Wohnungsbau. Ein weiterer Schlüssel sei jedoch die Einkommenssituation der Mieterinnen und Mieter –  ohne wirksame Maßnahmen zur Auflösung des weit verbreiteten Niedriglohnsektors sei eine soziale Wohnversorgung in den Großstädten nicht zu gewährleisten.

Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen BFW forderte angesichts der Studie von der Politik mehr Unterstützung für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Nötig seien Investitionsanreize auch für die privaten Unternehmen.

Ähnlich äußerte sich der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst. „Wir müssen endlich eine Bauoffensive starten, an der alle Akteure beteiligt sind“, erklärte er. „Der Staat, die Privaten und die Genossenschaften.“ Zudem müssten die hohen Baukosten gesenkt werden.

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser forderte hingegen einen Mietenstopp, der Mieterhöhungen generell auf die Inflation begrenze. „Wenn in immer mehr Haushalten die Mieten die Löhne auffressen, dann stürzt das die Betroffenen in existenzielle Nöte“, warnte er.

Die mobile Version verlassen