KOMMENTAR VON JENS BOYSEN-HOGREFE (stv. Leiter der IfW-Konjunkturforschung). Bund und Länder sollten auch für das Jahr 2021 die Ausnahmeregel der Schuldenbremse nutzen und diese aussetzen. Die aktuelle Steuerschätzung ist mit zu hoher Unsicherheit behaftet, als dass man die Haushaltsplanung danach ausrichten sollte. Gleiches gilt für die Schätzung des Wachstumspotenzials, das ebenfalls nach unten korrigiert wurde. Dem Bund stehen jetzt unter dem Reglement der Schuldenbremse im nächsten Jahr 20 Milliarden Euro weniger zur Verfügung.
Deutschland darf seine finanziellen Spielräume zur Krisenbekämpfung jetzt nicht auf Basis von Prognosen einengen, die aufgrund der gegenwärtigen Ausnahmesituation kaum verlässlich und extrem korrekturanfällig sind. Es besteht außerdem die Gefahr, dass die konjunkturelle Erholung im kommenden Jahr durch eine restriktive Finanzpolitik behindert wird.
Sollte sich der Ausblick aufhellen und die nächsten Schätzungen Ergebnisse liefern, die näher am Vorkrisenpfad liegen – was zu hoffen ist – würde dies die finanziellen Spielräume von Bund und Ländern wieder erhöhen. Ein Hin und Her in der Finanzpolitik würde durch das Aussetzen der Schuldenbremse also verhindert.
Die Ausnahmeregel beziehungsweise das Aussetzen der Schuldenbremse ist nicht zu verwechseln mit einer temporären Abschaffung der Schuldenbremse. Die Anforderungen der Schuldenbremse sind nicht verschwunden, sondern werden nur in der Zeit gestreckt. Dadurch muss die Finanzpolitik nicht abrupt und in großem Ausmaß reagieren. Vielmehr erlaubt das Aussetzen der Schuldenbremse eine Verstetigung der Finanzpolitik.
Wenn die Corona-Krise überstanden und die wirtschaftlichen Folgen absehbarer werden, ist eine Rückkehr zur Schuldenbremse geboten. Dauerhafte Konsequenzen der Krise müssen letztlich in den laufenden Haushalten abgebildet werden, wenn nicht ein Ausufern der Verschuldung riskiert werden soll.