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EU prüft Ausweitung von Sanktionen gegen Belarus

EU prüft Ausweitung von Sanktionen gegen Belarus

Das Europäische Parlament in Brüssel von außen

Angesichts des gewaltsamen Vorgehens der Behörden gegen die Protestbewegung in Belarus prüft die EU die Ausweitung ihrer geplanten Sanktionen. Staatschef Alexander Lukaschenko habe die Repressionen gegen Oppositionelle in den vergangenen Tagen „noch einmal verschärft“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag vor einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Berlin. Die EU müsse nun erwägen, ob sie den Druck auf Lukaschenko erhöhe. 

Die Opposition in Belarus wirft der Regierung massiven Betrug bei der Präsidentschaftswahl vom 9. August vor, die Amtsinhaber Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Auf die inzwischen nach Litauen geflüchtete Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja entfielen demnach nur rund zehn Prozent der Stimmen. 

Die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an und will nach bisherigem Stand 15 bis 20 Verantwortliche für Wahlmanipulation und Gewalt gegen Demonstranten mit Sanktionen belegen. Der EU-Rat erstellt derzeit eine Liste mit Betroffenen, gegen die Einreiseverbote und Kontensperrungen erlassen werden sollen. Bis sie in Kraft gesetzt wird, kann es nach Angaben aus EU-Kreisen wegen nötiger juristischer Prüfungen noch einige Wochen dauern. 

Maas räumte vor dem Außenministertreffen ein, dass die Ankündigung der Sanktionen Mitte August bisher „zu keiner Verhaltensänderung in Belarus geführt“ habe. Es müsse daher geprüft werden, ob die bisher auf den Weg gebrachten Sanktionen ausreichten oder „man noch einmal nachlegen“ müsse.

Die Behörden in Belarus gingen in den vergangenen Wochen teils brutal gegen friedliche Demonstranten vor. Tausende Menschen wurden festgenommen, hunderte verletzt. Mindestens drei Menschen kamen im Zusammenhang mit den Protesten ums Leben. Gegen den von der Protestbewegung gegründeten Koordinierungsrat wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.

Tichanowskaja sagte in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der „Bild“-Zeitung, sie fürchte um ihr Leben und das ihres seit Mai inhaftierten Mannes. „Unter diesen Umständen weiß ich nicht, ob meine Gesundheit, meine Freiheit, mein Leben sicher sind“, sagte die 37-Jährige.

In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten die EU-Botschafter in Minsk das Vorgehen gegen Oppositionelle als „inakzeptabel“. Die Diplomaten forderten Zugang zu Gefängnissen, in denen Menschen „aus rein politischen Gründen“ festgehalten würden. 

Viele der in Berlin versammelten Außenminister begrüßten die geplante EU-Sanktionsliste gegen Vertreter der belarussischen Führung. Es müsse deutlich werden, dass die Strafmaßnahmen gegen die politisch Verantwortlichen in Belarus gerichtet seien und nicht gegen die Bevölkerung, sagte der slowakische Außenminister Ivan Korcok. Auch Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg warb für gezielte Sanktionen. In Belarus ereigne sich ein „demokratiepolitisches Drama“, sagte er. 

„Ausbaufähig“ nannte dagegen Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn die vorgesehene Sanktionsliste. Auch die Außenminister Lettlands und Litauens sprachen sich für eine Erweiterung der Liste aus. Die Glaubwürdigkeit Europas stehe auf dem Spiel, sagte Litauens Außenminister Linas Linkevicius. Er sprach sich dafür aus, auch Lukaschenko persönlich mit Sanktionen zu belegen. 

Russlands Präsident Wladimir Putin appellierte unterdessen an die Regierung und die Protestbewegung in Belarus, aufeinander zuzugehen. „Die Parteien in diesem Prozess verfügen über genug Verstand, um einen Weg zu finden, ohne in die Extreme zu schlagen“, sagte Putin in einem Fernsehinterview. Er bekräftigte zugleich die Bereitschaft Moskaus, seinen „Verpflichtungen“ im Rahmen der russisch-belarussischen Verteidigungsgemeinschaft nachzukommen. 

Zuvor hatte der Kreml-Chef die EU davor gewarnt, sich in Belarus „einzumischen“. Lukaschenko hatte zuletzt wiederholt westliche Staaten beschuldigt, hinter den Protesten in seinem Land zu stecken und behauptet, an der Grenze zu Belarus in Litauen und Polen gebe es Nato-Truppenbewegungen.

Dies wies Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erneut zurück. „Es gibt keinen militärischen Aufwuchs in der Region, auch nicht seitens der Nato“, sagte er bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin. Es sei „völlig ungerechtfertigt“, wenn dies als „Entschuldigung und Ausrede für andere Maßnahmen verwendet“ werde. 

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