Drogenhandel, Waffenbesitz, Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug – die Liste der Vorwürfe gegen die 14 Mitglieder und Unterstützer der kalabrischen Mafiagruppierung ‚Ndrangheta ist lang. Als „komplexes Großlogistikunternehmen“ bezeichnete die Staatsanwaltschaft den internationalen Drogenhandel am Montag bei der Verlesung der Anklageschrift vor dem Duisburg Landgericht im Hochsicherheitstrakts des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Demnach betrieben die Beschuldigten einen großen logistischen Aufwand, um Drogen aus Südamerika zu importieren und in Europa zu verkaufen.
Die Staatsanwaltschaft wirft fünf italienischen Staatsbürgern vor, selbst Mitglied der ‚Ndrangheta gewesen zu sein und den Drogenhandel finanziert und koordiniert zu haben. Über Mittelsmänner sollen die ‚Ndrangheta-Mitglieder Kokain aus Südamerika beschafft und mit legalen Warenlieferungen versteckt eingeführt haben. Eine feste Hierarchie unter Investoren habe es nicht gegeben. „Derjenige, der investiert, verdient“, hieß es in der Anklageschrift.
Ein italienischer Staatsangehöriger, der in Solingen lebt, soll dabei als Strohmann aufgetreten sein. Seine Scheinfirma „Rigano Im- und Export“ mit Sitz in Düsseldorf wurde demnach dafür genutzt, Kokainlieferungen durch legale Waren zu tarnen. Andere Beschuldigte sollen den großangelegten Drogenhandel zum Beispiel mit der Bereitstellung von Kurierfahrzeugen mit eingebauten Drogenverstecken oder zum Teil selbst geliehenem Geld unterstützt haben. Auch ein Rechtsanwalt lieferte der ‚Ndrangheta laut Anklage unter anderem gefälschte Dokumente.
Weiterhin werden den Beschuldigten zum Teil Steuerhinterziehung, versuchte Steuerhinterziehung und Versicherungsbetrug vorgeworfen. So wurden Eiscafés und Restaurants nicht nur als logistische Stützpunkte, sondern auch zum Versicherungsbetrug genutzt. Immer wieder habe es in den Lokalen der ‚Ndrangheta-Mitglieder Überschwemmungen, Brandstiftungen und Vandalismus gegeben, die dann bei der Versicherung „abgerechnet“ worden seien. Mit dem Versicherungsgeld seien die „nicht unerheblichen Fixkosten“ des Drogengeschäfts gedeckt worden.
In ihrer italienischen Heimatregion Kalabrien mache sich die ‚Ndrangheta „eine Mauer des Schweigens“ zunutze, um dahinter Raub, Erpressung, Diebstahl und andere kriminelle Aktivitäten zu verbergen, erklärte die Staatsanwaltschaft. „Für Angehörige der ‚Ndrangheta gilt das Grundgesetz der Omerta“, hieß es in der Anklage. Dasselbe spiegle sich auch im Auftreten der Angeklagten vor Gericht wider.
Am Vormittag des zweiten Verhandlungstags drohte ein Corona-Verdachtsfall den Prozess zunächst erneut zu unterbrechen. Einer von drei Staatsanwälten war nach Angaben des Gerichts in der vergangenen Woche mit einem mittlerweile positiv auf das Coronavirus getesteten Polizisten im Auto unterwegs. Ein Verteidiger forderte eine Unterbrechung des Verfahrens, woraufhin das Gericht Corona-Schnelltests für alle drei Vertreter der Staatsanwaltschaft anordnete.
Da alle Tests negativ ausfielen, konnte das Verfahren am Nachmittag fortgesetzt werden. Bereits zum Prozessauftakt vor zwei Wochen hatte die Verhandlung wegen eines Coronafalls unterbrochen werden müssen, weil der Angeklagte Halil B. Kontakt zu seiner an dem Virus erkrankten Mutter gehabt hatte. B. musste sich trotz eines negativ ausgefallenen Coronatests für zwei Wochen in Quarantäne begeben. In dieser Zeit fielen alle Sitzungstermine aus.
Acht der 14 Angeklagten befinden sich derzeit in Untersuchungshaft in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten. Bei den Beschuldigten handelt es sich um deutsche, türkische, italienische, niederländische, marokkanische und portugiesische Staatsbürger. Dolmetscher übersetzen den Prozess ins Italienische, ins Türkische und ins Niederländische. Für das Mammutverfahren sind bisher 91 Verhandlungstage bis Ende kommenden Jahres angesetzt.