Wenn bei einem dementen Pflegeheimbewohner die Gefahr erkennbar ist, dass er sich selbst schädigen könnte, darf er nicht im Obergeschoss mit leicht zu erreichenden Fenstern untergebracht werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gab am Donnerstag der Revision einer Frau statt, deren kranker Mann aus dem dritten Stock eines Pflegeheims gestürzt und gestorben war. Sie hatte das Heim auf Schmerzensgeld verklagt. (Az. III ZR 168/19)
Der Mann war hochgradig dement und oft desorientiert. Sein Zimmer im Heim lag im dritten Stock mit zwei Dachfenstern, die über die Heizung und Fensterbank zu erreichen und auch leicht zu öffnen waren. Im Juli 2014 stürzte der Mann aus einem der Fenster und erlag später seinen Verletzungen.
Die Witwe forderte 50.000 Euro Schmerzensgeld und warf dem Pflegeheim vor, keine geeigneten Schutzmaßnahmen getroffen zu haben. Das Landgericht Bochum und das Oberlandesgericht Hamm wiesen ihre Klage ab. Es habe nicht ernsthaft damit gerechnet werden müssen, dass der Mann zum Fenster hinausklettert, hieß es zur Begründung. Die Witwe legte Revision beim BGH ein.
Dieser entschied nun, dass sich das Oberlandesgericht erneut mit dem Fall befassen muss. Es habe zuvor wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt, rügte der BGH. „Unkontrollierte und unkalkulierbare selbstschädigende Handlungen“ seien bei dem Mann nicht ausgeschlossen gewesen.
Es sei dabei nicht entscheidend, ob ein solcher Unglücksfall nahe lag – auch eine weniger wahrscheinliche Gefahr, die aber zu besonders schweren Folgen führen kann, könne Sicherungspflichten des Pflegeheims auslösen. Dies habe das Berufungsgericht übersehen.