In ihrem Entwurf für das Bundestagswahlprogramm malt die FDP ein düsteres Bild der Lage. Der deutsche Staat sei „satt und träge“, ein „Bürokratiedschungel“ belaste Bürger und Unternehmen, die Freiheit sei „auf eine erschreckende Art und Weise“ der Sicherheit untergeordnet. „Nie gab es mehr zu tun“, lautet die Überschrift des 76-seitigen Entwurfs. Ein Überblick über die Lösungsvorschläge der FDP, über die am Wochenende der Bundesparteitag berät:
Wirtschaft und Finanzen
Die Liberalen wollen einen „Entfesselungspakt“ für die Wirtschaft – gemeint ist damit in erster Linie Bürokratieabbau. Die steuerliche Belastung von Firmen soll auf etwa 25 Prozent sinken. Die FDP will auch bestimmte Regionen als „digitale Freiheitszonen zur Förderung digitaler und innovativer Geschäftsmodelle“ ausweisen. Dort sollen dann weniger Regularien gelten.
Das Einkommensteuersystem soll reformiert werden, unter anderem soll der Spitzensteuersatz später greifen. Der Solidaritätszuschlag soll komplett entfallen.
Zugleich dringen die Liberalen darauf, für die staatlichen Corona-Schulden den „Tilgungsturbo“ einzuschalten. Der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt soll auf 50 Prozent gedeckelt werden.
Bildung
Ein Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens, etwa 2,5 Milliarden Euro im Jahr, soll zusätzlich in die Bildung investiert werden. Mit einer Grundgesetzänderung soll der Bildungsföderalismus geschliffen werden, um bundesweite Qualitätsstandards und Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Zugleich sollen allerdings die Schulen mehr Freiheiten bekommen. Bereits in der Kita sollen den Kindern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik nahegebracht werden. Wirtschaft und Informatik sollen bundesweit Schulfächer werden.
Für Studierende soll es ein „elternunabhängiges Baukasten-Bafög“ geben. Stärker gefördert werden soll zudem die Weiterbildung von Erwachsenen, unter anderem durch ein „Midlife-Bafög“.
Klima- und Umweltschutz
Der Emissionshandel soll in der EU schnell auf alle Sektoren ausgeweitet werden. Den Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050 „überlassen wir dem Erfindergeist von Ingenieurinnen, Technikern und Wissenschaftlerinnen“.
Beim Thema Müll setzen die Liberalen auf „moderne Recyclingmethoden statt Produktverbote“. Plastik wird als „Werkstoff der Zukunft“ bezeichnet.
„Tempolimits, Diesel- oder Motorradfahrverbote sind weder progressiv noch nachhaltig“, findet die FDP. „Nur durch Innovationen und eine bessere Infrastruktur“ könne umweltfreundlicher Verkehr vorangebracht werden. Bei der Bahn soll das Netz in Staatshand verbleiben, der Betrieb aber privatisiert werden. Die Luftverkehrssteuer soll abgeschafft werden.
Arbeit und Soziales
Statt der täglichen soll es eine wöchentliche Höchstarbeitszeit geben, um „mehr Flexibilität“ zu ermöglichen. Homeoffice soll erleichtert werden. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, setzt die FDP unter anderem auf einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung „perspektivisch ab dem Ende des Mutterschutzes“. Selbstverpflichtungen großer Firmen sollen mehr Frauen in Führungspositionen bringen.
Die bisherigen Leistungen für Kinder sollen in einem „Kinderchancengeld“ gebündelt werden, bestehend aus „Grundbetrag, Flexibetrag und nichtmateriellem Chancenpaket“. Hartz IV und weitere steuerfinanzierte Sozialleistungen sollen durch ein „liberales Bürgergeld“ ersetzt werden, das „unbürokratischer, würdewahrender, leistungsgerechter, digitaler und vor allem chancenorientierter“ sein soll.
Gesellschaft
Künftig soll ein Kind bis zu vier rechtliche Elternteile haben können. Adoptionen sollen auch unverheirateten Paaren möglich sein. Jeder und jede soll den eigenen Geschlechtseintrag per Selbstauskunft ändern können. Geschlechtsangleichende Behandlungen sollen komplett von den Krankenkassen bezahlt werden. Neben der Ehe wollen die Liberalen die „Verantwortungsgemeinschaft“ gesetzlich verankern, die zwei oder mehr Volljährige umfassen kann.
Staat und Verwaltung
Bürgerinnen und Bürger sollen alle Behördengänge online erledigen können. Die FDP will außerdem ein „Ministerium für Digitale Transformation“. Bundeskanzlerinnen und -kanzler sollen maximal für zwei Wahlperioden oder zehn Jahre im Amt sein dürfen. Der Bundestag soll alle fünf statt vier Jahre gewählt werden und schrumpfen. Das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen soll auf 16 sinken.