Fragen und Antworten: Reisemediziner informierten über Reiseerkrankungen und Impfschutz

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Wenn in Kürze das Kofferpacken für den Sommerurlaub 2020 beginnt, spielt das Thema Gesundheit eine größere Rolle als in den Jahren zuvor. Schutzmasken und Desinfektionsmittel werden in kaum einem Reisegepäck fehlen. So lange es keinen Impfstoff gegen „SARS-CoV-2“ gibt, gilt es, den Kontakt mit dem Virus zu vermeiden. Gegen viele andere Reisekrankheiten, zum Beispiel die Infektion mit Hepatitis- oder FSME-Viren, gibt es hingegen seit langem einen wirksamen Impfschutz. Voraussetzung dafür ist eine reisemedizinische Beratung noch vor Reiseantritt. Ihr Ziel ist der Aufbau eines Impfschutzes gegen die Krankheitserreger, die in der Urlaubsregion vorkommen können, aber auch die Überprüfung des aktuellen Impfstatus. Zudem kann gegen Erkrankungen geimpft werden, die – wie Corona – die Lunge betreffen, zum Beispiel Keuchhusten oder Pneumokokken. Worauf es bei den Reisevorbereitungen besonders ankommt, dazu informierten Reise- und Tropenmediziner am Lesertelefon. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen.

Schützen die allgemeinen Corona-Maßnahmen nicht auch vor der Ansteckung mit anderen Krankheiten?

Prof. Dr. med. Tomas Jelinek: Abstandsgebot, Handhygiene und Maskenpflicht schützen in erster Linie gegen Tröpfcheninfektionen. Krankheitserregern, die auf anderem Weg in den Organismus gelangen, beugen sie nicht vor. Bei einer Hepatitis A-Infektion werden die Viren beispielsweise über die Nahrung aufgenommen. Auch gegen die Übertragung von Bakterien oder Viren durch Mücken- oder Zeckenstiche helfen die Corona-Schutzmaßnahmen nicht. Vor einer Reise sollten also immer auch die Risiken bedacht und abgedeckt werden, die in der Urlaubsregion tatsächlich eine Rolle spielen.

Wir wollen mit dem Auto das östliche Mittelmeer bereisen – von Kroatien bis Albanien. Besteht dort eine konkrete Ansteckungsgefahr mit Hepatitis A- und B-Viren?

Prof. Dr. med. Karl-Heinz Herbinger: Eindeutig ja. Der gesamte Mittelmeerraum gilt als Risikogebiet für eine Hepatitis A-Infektion, die nicht von ungefähr auch den Namen „Reisegelbsucht“ trägt. Die Ansteckung erfolgt über verunreinigte Nahrungsmittel, zum Beispiel Muscheln, ungeschältes Obst, Salat oder Gemüse. Eine Gefahr geht zudem von verunreinigtem Wasser aus, etwa in Eiswürfeln oder Speiseeis. Weil es so gut wie unmöglich ist, sich sicher vor dem Kontakt mit dem Virus zu schützen, sollte vor Abreise eine Impfung erfolgen. Diese kann als Kombinationsimpfung auch den Schutz gegen Hepatitis B-Viren abdecken, die weltweit vorkommen und durch Körperflüssigkeiten übertragen werden.

Wie lange hält der Hepatitis-Impfschutz an?

Dr. med. Albrecht von Schrader-Beielstein: Gegen Hepatitis A sind für einen langfristigen Impfschutz je nach Impfstoff insgesamt zwei oder, bei Kombinationsimpfstoff, drei Injektionen erforderlich. Dann hält der Schutz in der Regel für mindestens zehn Jahre an. Für eine Grundimmunisierung gegen Hepatitis B sind je nach Impfschema bis zu vier Impfungen erforderlich. Eine Auffrischimpfung ist nach erfolgreicher Grundimmunisierung nicht mehr erforderlich. Für Reisende ist vor allem der Zeitpunkt der Impfung wichtig. Gegen Hepatitis A kann notfalls noch am Tag der Abreise geimpft werden, gegen Hepatitis B spätestens drei, besser vier Wochen vor Reiseantritt.

Ich habe leichtes Asthma. Was muss ich mit Blick auf eine mögliche Corona-Infektion beachten?

Prof. Herbinger: Die Impfprävention von Atemwegserkrankungen ist aufgrund der Corona-Pandemie verstärkt in den Blick gerückt. Nach aktuellem Stand der Erkenntnisse sind vor allem ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Asthma von schweren Krankheitsverläufen durch COVID-19 betroffen. Vor einer zusätzlichen Erkrankung mit Krankheitserregern, die vor allem die Lunge betreffen, sollte man sich möglichst frühzeitig mittels einer Impfung schützen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, den Status im Hinblick auf die Pneumokokken-, Pertussis- (Keuchhusten) und Influenzaimpfung zu überprüfen. Dies trifft jedoch nicht nur auf Sie als Asthmatiker zu, sondern auf praktisch alle chronisch Kranken, insbesondere wenn sie älter sind. Unabhängig davon sollte natürlich jeder Asthmatiker optimal medikamentös eingestellt sein.

Wir verbringen unseren Sommerurlaub dieses Jahr in Österreich oder Bayern. Wie schütze ich mich wirkungsvoll vor Zeckenstichen und ihren Folgen?

Prof. Jelinek: Wenn Sie in der Natur unterwegs sind, sollten Sie geschlossene Schuhe und Kleidung tragen, die Beine und Arme bedeckt. Zusätzlich helfen so genannte Repellentien, zu denen Sie sich in der Apotheke beraten lassen können. Die wichtigste Schutzmaßnahme ist, sich nach dem Aufenthalt draußen überall auf Zecken abzusuchen, besonders in Hautfalten und an Stellen, die weniger exponiert sind. Der Grund: Zecken lassen sich oft etwas Zeit, bevor sie zustechen. Dieses Zeitfenster sollten Sie nutzen. Zecken übertragen unter anderem Borrelien – ein Bakterium, gegen das man nicht impfen kann – sowie FSME-Viren, die eine Hirnhautentzündung auslösen können. Gegen FSME gibt es eine Schutzimpfung, die für alle Menschen empfohlen wird, die sich wie Sie in einem Risikogebiet aufhalten wollen. Mehr Infos dazu beim Robert Koch-Institut unter www.rki.de/fsme.

Wie ist die Gefahr durch Mücken einzuschätzen, die bisher in unseren Breiten nicht vorkamen?

Prof. Jelinek: Zu den neu eingewanderten Mückenarten in Europa gehört vor allem die Tigermücke (Aedes), die potenziell Infektionen wie Dengue, Chikungunya oder Zika übertragen kann. In verschiedenen Mittelmeerländern ist dies vereinzelt bereits vorgekommen. Solche Infektionen werden in Europa auf absehbare Zeit zwar seltene Einzelfälle in den Sommermonaten bleiben, dennoch ist Mückenschutz in vielen Gebieten zunehmend sinnvoll – allein schon, um die lästigen Stiche zu verhindern.

Welche Infektionsrisiken können in europäischen Ländern noch bestehen?

Dr. von Schrader-Beielstein: Ein Risiko, das häufig übersehen wird, ist die mehrheitlich durch Hundebisse übertragene Tollwut. Zwar ist die Übertragungsgefahr in Europa relativ gering, aber die Folgen einer unbehandelten Infektion sind dramatisch: Sie verläuft fast immer tödlich. Kommt es zum Kontakt mit einem möglicherweise tollwutinfizierten Tier, ist zeitnahe medizinische Hilfe entscheidend, um die Wunde zu versorgen und bei fehlendem Impfschutz zusätzlich eine passive Immunisierung durchzuführen.

Wo finde ich eine reisemedizinische Beratungsstelle?

Prof. Jelinek: Ein bundesweites Adressverzeichnis finden Sie zum Beispiel auf der Internetseite des Centrums für Reisemedizin (CRM) unter www.crm.de. Dort sind neben Ärztinnen und Ärzten mit reisemedizinischer Fortbildung auch Apotheken mit reisemedizinisch geschultem Personal aufgeführt. Auch unter www.fit-for-travel.de findet man Reisemediziner in der Nähe. Beide Internetseiten liefern zudem tagesaktuell zu über 300 Reisezielen reisemedizinische Informationen zu Impfungen sowie zu den Erkrankungen, gegen die vorgebeugt werden kann.

Muss ich reisemedizinisch empfohlene Impfungen privat zahlen?

Prof. Herbinger: Viele gesetzliche Krankenkassen übernehmen Reiseschutzimpfungen als freiwillige Leistung. Dabei richten sie sich nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) sowie den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten Sie sich vorab bei Ihrer Krankenversicherung erkundigen, ob und wie eine Kostenübernahme oder -erstattung geregelt ist. Eine Übersicht bietet z. B. das reisemedizinische Informationsportal www.fit-for-travel.de.

Bevor Corona kam, war immer wieder von Maserninfektionen als Risiko auf Reisen zu hören. Ist das bei einem Urlaub in Europa immer noch ein Thema?

Dr. von Schrader-Beielstein: Aus den Medien mögen die Masern verschwunden sein, nicht aber aus der Welt. Aktuell kommen sie vermehrt in Südost-Europa sowie Frankreich vor. Auch Deutschland wird 2020 das WHO Ziel nicht erreichen, die Masern auszurotten. Daher gibt es seit März 2020 das Masernschutzgesetz. Es macht die Masern-Impfung in Einrichtungen zur Betreuung, Unterbringung oder Ausbildung von Kindern und Jugendlichen sowie in medizinischen Einrichtungen verpflichtend und beinhaltet Regelungen zur Stärkung der Impfprävention. Das Gesetz betrifft zudem die Beschäftigten in Einrichtungen, die nach 1970 geboren sind. Generell empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) allen nach 1970 Geborenen mit unklarem oder nicht ausreichendem Impfstatus eine Impfung mit dem Dreifach-Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln.

Worauf sollte ich als Enddreißigerin achten, wenn ich meine Mutter (65) auf einer Reise begleite?

Prof. Herbinger: Alle Erwachsenen sollten einmalig bei der nächsten regulären Auffrischimpfung gegen Tetanus und Diphtherie mit einem Kombinationsimpfstoff auch gegen Pertussis (Keuchhusten) und – je nach Reiseziel – gegen Polio (Kinderlähmung) geimpft werden. Die Abstände für diese Auffrischimpfungen sollten 10 Jahre nicht überschreiten. Pertussis ist eine unterschätzte Erkrankung im Alter. Etwa jeder achte ältere Patient mit Pertussis muss im Krankenhaus behandelt werden. Des Weiteren sollten alle Menschen ab 60 Jahren, also auch Ihre Mutter, gegen Grippe, Pneumokokken und Gürtelrose (Herpes zoster) geimpft sein. Letztere stellt eine Reaktivierung von Windpocken-Viren dar, die sich zeitlebens in Nervenzellen, meist in der Nähe der Wirbelsäule, aufhalten und häufiger im höheren Alter die Gürtelrose mit Bläschen und brennenden Schmerzen verursachen können.

Wie stelle ich fest, welchen Impfschutz ich aktuell habe – und wo meine Lücken sind?

Dr. von Schrader-Beielstein: Aufschluss über Ihren aktuellen Impfschutz gibt allein Ihr Impfpass. Nur dort dokumentierte Impfungen gelten auch als verabreicht – der Impfpass ist also ein wichtiges Dokument, das trotzdem allzu häufig verloren geht. Notfalls können Sie verabreichte Impfungen bei ihrem Hausarzt erfragen – er hat eine zehnjährige Aufbewahrungspflicht für die Dokumentation. Liegen keine Informationen vor, sollte der komplette Impfschutz nach den Empfehlungen der STIKO neu aufgebaut werden. Mein Tipp: Machen Sie mit Ihrem Smartphone ein Foto von Ihrem Impfpass. Die Geräte gehen seltener verloren als Impfpässe.

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