Flugtaxis, Fleisch aus dem Labor, autonomes Fahren und Küchenroboter sind sehr viel näher, als viele glauben“, sagt Unternehmer Frank Thelen (44). Wie sich unser Alltag in den nächsten Jahren verändern wird, erklärt der 44-Jährige, der durch die TV-Show „Die Höhle der Löwen“ bekannt wurde, im Interview.
Das Buch „10xDNA: Das Mindset der Zukunft“ von Frank Thelen findest Du hier!
Ihr neues Buch trägt den Titel „10xDNA: Das Mindset der Zukunft“. Was bedeutet „10xDNA“?
Frank Thelen: 10xDNA meint die Einstellung, durch die große Innovationen überhaupt erst möglich werden. Entstanden ist dieses Mindset 1969 beim Projekt Mondlandung. Was damals technisch unmöglich war, wurde von einem herausragenden Team aus Ingenieuren und Wissenschaftlern möglich gemacht. Hier liegt meiner Meinung nach der Ursprung der 10xDNA. Das ist auch der Grund, wieso im Silicon Valley die weltweit am höchsten bewerteten Unternehmen angesiedelt sind. Sie zeigen eine klare Linie zu den Beteiligten des Moonshot Projekts auf. Mir ist es ein großes Anliegen, auch in Deutschland diese 10xDNA zu wecken. Denn ich bin überzeugt, auch wir können wieder zum Innovationsvorreiter werden, wenn wir uns nur trauen, groß zu denken.
Sie sprechen in Ihrem Buch über Technologien der Zukunft. Wie werden diese unser Leben beeinflussen und bis wann werden diese den Alltag aller Menschen in Deutschland verändert haben?
Thelen: Unser Leben wird sich in den nächsten zehn Jahren tiefgreifend verändern. Flugtaxis, Fleisch aus dem Labor, autonomes Fahren und Küchenroboter sind sehr viel näher, als viele glauben. Die Technologien, die diesen Innovationen zugrunde liegen, sind in den Laboren bereits fertig entwickelt und teilweise auch schon im Einsatz. Es gibt bereits erste Roboterküchen, autonom fahrende LKWs und im Labor gezüchtetes Steak. Wann genau diese Innovationen flächendeckend in den Markt eintreten, hängt von vielen Faktoren ab. Aber Fakt ist, es wird sich in den nächsten zehn Jahren einiges verändern.
Welche dieser Technologien wird als nächstes unser Leben umkrempeln?
Thelen: Ich denke, in der Mobilität werden wir die Veränderungen als Erstes spüren. Das Elektroauto wird nach und nach den Verbrenner ablösen, die ersten Flugtaxi-Services werden schon bald ihre Dienste anbieten und früher oder später wird der Computer den Mensch am Steuer ablösen.
Sie haben bei „Die Höhle der Löwen“ auch in Start-ups aus dem Ernährungsbereich investiert. Wie können die neuen Technologien die Lebensmittelbranche verändern?
Thelen: Ich hatte es eben bereits erwähnt, aktuell arbeiten zahlreiche Teams daran, Fleisch im Labor zu züchten. In Zukunft werden wir also nicht mehr eine ganze Kuh schlachten müssen, um an unser Steak zu kommen. Außerdem kann durch sogenanntes Vertical Farming Nahrung bald auch auf engem Raum und somit in Stadtnähe angebaut werden, was deutlich nachhaltiger ist und in stabilen und langfristig niedrigeren Preisen resultieren dürfte. Auch ist hier weiterhin mit Produktinnovationen zu rechnen. Ein Start-up aus unserem Portfolio hat sich das retronasale Riechen zunutze gemacht und eine Flasche entwickelt, bei der man pures Wasser trinkt und dennoch Geschmack über Geruch wahrnimmt. Das hat es bislang so noch nicht gegeben.
Wo liegen deutsche und europäische Unternehmer im Vergleich zur internationalen Konkurrenz, wenn es darum geht, im Bereich der Technologien der Zukunft innovativ zu sein?
Thelen: Auch in Deutschland und Europa gibt es zahlreiche visionäre Unternehmer, die mit ihren technologischen Innovationen die Welt verändern wollen und auch das Potenzial dazu haben, dies zu tun. Was uns hierzulande oft fehlt, ist das eben beschriebene Mindset, was zum Beispiel in den USA vorzufinden ist.
Was haben Jeff Bezos oder Elon Musk, was sie von anderen Unternehmern hervorhebt?
Thelen: Das technische Verständnis, die nötige Weitsicht, vorausschauend zu denken und den Mut, konsequent zu handeln. Jeff Bezos und Elon Musk haben die 10xDNA. Sie planen in Dekaden, nicht in Quartalen und streben 10x Sprünge und nicht 10% Optimierungen an.
Die Corona-Krise hat wirtschaftlich einen großen Einschnitt bedeutet. Steckt darin auch eine Chance?
Thelen: Absolut. Deutschland wurde durch die Krise aus seinem Wohlstandsschlaf gerissen und ist jetzt wieder bereit, sich zu bewegen. Auch wenn die nächsten Monate für viele große Herausforderungen mit sich bringen, sehe ich insgesamt eine große Chance für die deutsche Wirtschaft. Wenn wir jetzt mutig und konsequent in Innovation investieren, könnten wir gestärkt aus der Krise hervorgehen.
Wie hat sich die Corona-Krise auf Ihre Firmen und Finanzen ausgewirkt?
Thelen: Unser Portfolio ist von der Krise weitestgehend verschont geblieben. Unsere Food-Start-ups haben ihre Umsätze teilweise sogar verdoppelt, bei unseren Tech-Start-ups läuft es ebenfalls weitestgehend normal weiter. Einzig bevorstehende Finanzierungsrunden waren etwas schwerfälliger als sonst. Die Leute haben in Krisenzeiten weniger Investitionsbereitschaft. Insgesamt können wir uns aber nicht beschweren.
Eine Folge der Corona-Krise war für viele Menschen, dass sie im Homeoffice gearbeitet haben. Halten Sie das für ein Modell der Zukunft?
Thelen: Ich persönlich bin zwar kein großer Freund vom Homeoffice, da ich gerne ins Büro komme, aber ich bin der Meinung, dass in jedem Unternehmen die Möglichkeit und die digitale Basis bestehen sollte, um aus dem Homeoffice oder von unterwegs aus zu arbeiten. Was sich unbedingt durchsetzen sollte, ist die Bereitschaft für Videocalls. Wir haben bei Freigeist schon vor Corona einen Großteil unserer Meetings per Zoom abgehalten, um unnötige Geschäftsreisen zu vermeiden. Wenn sich dies auch in anderen Unternehmen durchsetzen würde, wäre das nicht nur ein wichtiger Schritt für unsere Umwelt, sondern würde uns allen auch viel Zeit an Flughäfen ersparen.
Bargeldlos bezahlen ist wegen des Coronavirus derzeit Standard. Hat das Bargeld bald ganz ausgedient?
Thelen: Wenn es nach mir geht, ja. Aber ich denke, bis die Gesellschaft so weit ist, wird es noch eine Weile dauern.
Sie plädieren seit Jahren für eine Abschaffung des Bargelds – warum, was sind die Vorteile?
Thelen: Das liegt in der aktuellen Situation doch auf der Hand: Es ist unsicher, unhygienisch und unnötig. Ich versuche, wo möglich, nur noch kontaktlos mit meiner Apple Watch zu zahlen und hoffe, dass diese Funktion bald überall angeboten wird – auch nach Corona.
Die Schulen waren und sind weiterhin gezwungen, auf digitalen Unterricht umzustellen. Welche Chancen sehen Sie hier für die Bildung in der Zukunft?
Thelen: Ich hoffe, dass sich die digitalen Lernkonzepte, die jetzt aus der Not heraus an den Schulen entstehen, durchsetzen und als Positivbeispiel dafür dienen, wie digitales Lernen in den Schulalltag integriert werden kann. Ich unterstütze hier schon länger das Projekt edusense einer Kölner Lehrerin. Sie hat bereits vor Corona erfolgreich ihre Schulklasse digitalisiert und treibt das Thema wirklich gut voran. Gerade jetzt ist natürlich die Bereitschaft für digitale Lernkonzepte groß und dieses Momentum sollten wir unbedingt nutzen.