Prüfer der gesetzlichen Kassen bestätigten 2019 knapp 3700 Behandlungsfehler

Verband: "Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs"

Symbolbild: Gesundheitskarte in Deutschland
Symbolbild: Gesundheitskarte in Deutschland

Die Prüfer der gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr fast 3700 Behandlungsfehler nachgewiesen. Das waren etwas mehr als im Jahr davor, wie der Medizinische Dienst des Kassenspitzenverbands (MDS) am Donnerstag in Berlin berichtete. Die Experten gehen allerdings von einer hohen Dunkelziffer an vermeidbaren Schäden durch Behandlungsfehler aus. „Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs“, erklärte der stellvertretende MDS-Geschäftsführer Stefan Gronemeyer.

Insgesamt erhielten die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr mehr Patientenbeschwerden über mögliche Behandlungsfehler. Die Gutachter des Medizinischen Diensts der deutschen Krankenversicherer (MDK) prüften demnach 14.553 solcher Vorwürfe, das waren rund 400 mehr als 2018.

In knapp jedem vierten Fall – das waren 3688 – bestätigten die MDK-Gutachter den Verdacht. In jedem fünften Fall – das waren 2953 – bestätigte sich, dass der Fehler den erlittenen Schaden verursachte. Das ist wichtig für die Betroffenen, denn nur dann bestehen Chancen auf Schadenersatz.

Wie in den Vorjahren betrafen die meisten Fehlervorwürfe mit 32,1 Prozent die Orthopädie und Unfallchirurgie, 11,1 Prozent die innere Medizin und Allgemeinmedizin, 9,4 Prozent die Allgemeinchirurgie und jeweils etwas mehr als acht Prozent die Zahnmedizin und die Frauenheilkunde.

Die Häufung von Vorwürfen sagt dem MDK zufolge aber nichts über die tatsächliche Fehlerquote in den Fachbereichen aus. Vielmehr könnten Patienten in diesen Bereichen mögliche Fehler besser erkennen.

Der MDK verwies ebenfalls auf mögliche Fehler durch die Corona-Pandemie. Die vom Aktionsbündnis Patientensicherheit eingeführten speziellen anonymen Fehlermeldesysteme für die Beschäftigten im Gesundheitswesen sei zu begrüßen, um pandemiebedingte Fehler frühzeitig erkennen und Sicherheitsmaßnahmen ableiten zu können. Ruth Hecker, Vorsitzende im Aktionsbündnis, sprach von einem durch Corona verursachten „Tunnelblick“, der zu einer Unterversorgung anderer Patientengruppen geführt habe.

Die Verzögerung der Behandlung von Patienten mit anderen Erkrankungen habe negative Auswirkungen und könne „Leiden und Gesundheitsschäden verursachen“, erklärte Astrid Zobel, Leitende Ärztin beim MDK Bayern. Patienten können zu Schaden kommen, wenn Krebstherapien verschoben oder Schlaganfälle, Herzinfarkte und seelische Leiden zu spät behandelt würden. Trotz der Herausforderung durch die Pandemie sollten alle Patienten zeitgerecht medizinisch versorgt werden.

Die Grünen bekräftigten ihre Forderung nach einem Härtefallfonds, um Geschädigten schnelle und unbürokratische Hilfe zu leisten. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, sieht in den MDK-Zahlen „nur die Spitze des Eisbergs“. Nötig sei ein bundesweites Monitoring durch eine unabhängige Stelle. „Unser Gesundheitswesen braucht eine andere Fehlerkultur und einen transparenteren Umgang mit Behandlungsfehlern“, erklärte die Grünen-Politikerin.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte einen Härtefallfonds und eine zentrale Erfassung der Daten. „Bei den Behandlungsfehlern läuft es weiterhin schief“, kritisierte Vorstand Eugen Brysch. „Gerichte, Ärzte und Medizinischer Dienst arbeiten nebeneinander her.“

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