Seehofer erstattet nun doch keine Strafanzeige wegen „taz“-Kolumne

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Symbolbild: Reichstagsgebäude Berlin

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verzichtet darauf, wegen einer polizeikritischen Kolumne in der Tageszeitung „taz“ Strafanzeige zu stellen. Er werde stattdessen die „taz“-Chefredaktion in sein Ministerium einladen, „um mit ihr den Artikel und seine Wirkung zu besprechen“, erklärte Seehofer am Donnerstag. Außerdem werde er sich an den Deutschen Presserat wenden, weil die Kolumne „in meinen Augen einen schweren Verstoß gegen den Pressekodex darstellt“.

Zum Thema Strafanzeige heißt es in Seehofers Erklärung, er sei der Auffassung, „dass mit der Kolumne durch die menschenverachtende Wortwahl auch Straftatbestände erfüllt werden“. Hierzu lägen bereits Strafanzeigen vor. „Die Delikte sind teilweise bereits durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen zu prüfen.“

Seehofer erneuerte seine scharfe Kritik an der satirischen Kolumne. Diese sei „in einer verächtlich machenden, entwürdigenden und menschenverachtenden Sprache geschrieben“. Polizisten würden „pauschal in engsten Zusammenhang mit Nazis und Terroristen gebracht“ und „als auf ‚die Mülldeponie‘ gehörend beschrieben“. Er wolle sich nicht daran gewöhnen, „dass dies als zulässige Form der Auseinandersetzung dargestellt wird“.

Zugleich versicherte Seehofer, es gehe ihm „nicht um Strafverfolgung einer Person und schon gar nicht um einen Eingriff in die Pressefreiheit“. Vielmehr gehe es um den gesellschaftlichen Umgang miteinander. Auch wenn „die kritische Begleitung und Auseinandersetzung mit der Tätigkeit der Polizei durch die Medien“ geboten und auch „unsachliche Kritik“ zu akzeptieren sei, gebe es doch „Grenzen des Umgangs miteinander“.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) lobte Seehofers Entscheidung, von einer Anzeige abzusehen. „Das ist die einzig mögliche Entscheidung, um Schaden vom Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit abzuwenden“, erklärte der DJV-Vorsitzender Frank Überall.

Positiv äußerte sich auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. „Das Einlenken von Minister Seehofer kam spät, war aber richtig“, sagte er dem Portal „t-online.de“. Zwar sei Rückhalt für die Polizei richtig und wichtig, doch „die angedachte Strafanzeige war der falsche Weg“.

Dagegen warf die AfD Seehofer vor, er setze „auf Stuhlkreise, statt auf eine funktionierende Justiz“. Offenbar habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Minister „zurückgepfiffen“, erklärte AfD-Vize Stephan Brandner. Für die Polizisten in Deutschland sei Seehofers Entscheidung „ein Schlag ins Gesicht“. Der Minister falle „seinen Beamten in den Rücken und gibt der Anti-Polizei-Hetze in Deutschland weiter freien Lauf“, erklärte der AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio.

Kritik aus einer anderen Richtung kam von der Linkspartei. Die AfD, die „seit Jahren volksverhetzende Parolen“ schreie, wolle Seehofer nicht im Verfassungsschutzbericht erwähnt haben, doch wenn eine Journalistin eine Kolumne schreibe – auch wenn man diese durchaus kritisieren könne -, drohe er mit einer Klage, sagte Parteichefin Katja Kipping „t-online.de“. Offenbar habe der Innenminister „die Aufgabe seines Amtes nicht verstanden“.

Seehofer hatte am Sonntag angekündigt, am nächsten Tag wegen der Kolumne Anzeige gegen die Autorin zu erstatten. Daraufhin schlug ihm breite Kritik entgegen. In den folgenden Tagen erklärten Seehofer und sein Ministerium, die Sache zunächst ausführlich prüfen zu wollen. Auch Bundeskanzlerin Merkel sprach nach Regierungsangaben mehrmals mit Seehofer über die Angelegenheit

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