Abnehmen oder zum Rauchen aufhören: Der Jahreswechsel ist die Zeit der guten Vorsätze und viele wollen im neuen Jahr ihr Leben umkrempeln. Doch oftmals fällt die Umsetzung schwer. Wie wir unseren inneren Schweinehund überwinden und die Ziele erreichen können, erklärt Psychologe Prof. Dr. Dieter Frey im Interview. Er sagt etwa: „Die Vorsätze müssen konkret und realistisch sein.“
Warum machen wir uns jedes Jahr neue Vorsätze?
Prof. Dr. Dieter Frey: Das Jahresende und der Jahresanfang inspirieren viele Menschen dazu, sich Gedanken zu machen und zu reflektieren. Was lief beispielweise gut, was lief nicht gut im alten Jahr und mit welchen neuen Perspektiven möchte ich ins neue Jahr starten? Das neue Jahr ist eine gute Zeit, um zu sagen: Jetzt starte ich neu.
Warum halten wir sie dann doch nicht ein?
Frey: Es gibt viele Gründe, warum es nicht funktioniert. Ein Grund ist, dass damit auch eine gewisse Disziplin verbunden ist. Aber auch eine Reflexion über kontrastierende Bedingungen, also: Was spricht dagegen, dass man es macht? Man wollte immer schon Chinesisch lernen oder eine Weltreise machen. Aber dann stellt man fest: So sprachbegabt bin ich doch nicht oder so viel Geld habe ich nicht zur Verfügung. Es gibt oft Bedingungen, die man nicht richtig bedacht hat, weil der Traum und der Wunsch zunächst vermeintlich größer wirkte als die Restriktion.
Haben Sie Tipps, wie man seine Vorsätze einhalten kann und wie sehen diese konkret aus?
Frey: Die Vorsätze müssen konkret und realistisch sein. Wenn man sagt: „Ich möchte gesundheitsbewusster leben“, ist das zu abstrakt. Wenn man aber sagt: „Ich möchte jeden Tag mindestens zwei unterschiedliche Obstsorten essen und jeden Tag Gemüse“, dann ist das sehr konkret. Es muss realistisch sein, d.h. erreichbar, dass man nicht am dritten Tag schon unter der Messlatte läuft. Gut ist auch, wenn man seine Vorsätze öffentlich macht und sich damit vor anderen committed. Man muss auch reflektieren, dass der Vorsatz sehr wichtig ist und keine Eintagsfliege. Außerdem sollte man die Vorteile sehen und sich belohnen, wenn man seine alte Gewohnheit ablegt.
Warum fällt es den Menschen so schwer, ihre Gewohnheiten zu ändern?
Frey: Gewohnheiten haben sich jahrelang aufgebaut. In zehn Jahren hat ein Mensch 3.600 Tage hinter sich und wenn er 40 ist, über 14.000 Tage. Man merkt, wie gewohnheitsmäßige Verhaltensweisen zum Automatismus geworden sind, wenn man seine Routinen ändern möchte – z.B. das Rauchen aufhören. Gewohnheiten geben den Menschen Halt und sind mit wenig Aufwand verbunden.
Was empfehlen Sie konkret einem Menschen, der zum Rauchen aufhören oder Abnehmen möchte?
Frey: Ich würde ihm auf jeden Fall empfehlen zu reflektieren, wie wichtig es für ihn persönlich ist. Will ich es tatsächlich? Hat es höchste Priorität? Ist es nur „nice to have“ oder ist ein Leidensdruck vorhanden? Je stärker der Leidensdruck ist, z.B. weil man sieht, welche gesundheitlichen Nachteile es hat, dann besteht eher die Chance, dass man es schafft. Natürlich gehört auch Disziplin dazu. In der Wissenschaft ist man sich noch uneinig, ob man abrupt aufhören oder Schritt für Schritt reduzieren soll – sowohl beim Rauchen als auch beim Abnehmen. Es gibt für beide Varianten positive und negative Befunde.
Ich empfehle auf jeden Fall, dass man seinen Vorsatz immer wieder neu aufnehmen kann, egal ob man abrupt aufhört oder kontinuierlich. Außerdem sollte man sich mit Hindernissen und Rückfällen auseinandersetzen. Wie umschiffe ich es, wenn ich plötzlich Lust zum Rauchen oder zum Essen habe? Wenn man diese Frage nicht gelöst hat, ist es mehr oder weniger aussichtslos.
Wie kann ich neue Routinen am besten in meinem Alltag integrieren?
Frey: Es hilft, wenn man sich tatsächlich wohler fühlt oder sich klar macht, dass man sich wohler fühlt. Natürlich hilft es auch, wenn man es öffentlich macht und von anderen Menschen bestärkt wird. Man kann sich auch einen Partner suchen und sich gegenseitig motivieren. Hilfreich sind auch neue Routinen. Das man zum Beispiel nicht mehr mit den Rauchern draußen steht, sondern sich stattdessen zweimal wöchentlich mit Freunden oder Kollegen zum Joggen verabredet. Wichtig ist, dass das neue Verhalten ein Automatismus wird.
Welche Motivationstipps können Sie geben, wenn der Schweinehund gerade die Oberhand hat?
Frey: Man sollte auf keinen Fall permanent mit einem schlechten Gewissen herumlaufen, sondern sagen: „Gut, ich nehme den Schweinehund heute hin, aber morgen geht es weiter.“ Insofern ist Geduld das Allerbeste. Man sollte sich selbst als eigenen Freund und nicht als Feind sehen, denn das bringt gar nichts.