Die Bundesländer handhaben die Verwendung von Gästelisten in Restaurants für polizeiliche Zwecke bislang unterschiedlich. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) rechtfertigte am Donnerstag im ARD-„Mittagsmagazin“ die Nutzung in Ausnahmefällen. Hingegen erteilte sein baden-württembergischer Kollege Thomas Strobl einer Nutzung für strafrechtliche Verfahren eine Absage. Der Gaststättenverband Dehoga verlangte von den Bundesländern Klarheit darüber, inwieweit die wegen der Corona-Pandemie erstellten Gästelisten von der Polizei verwendet werden.
Herrmann sagte, bei schweren Straftaten sei die Verwendung zur Ermittlung des Täters und für die Aufklärung der Straftat sinnvoll und richtig. Befürchtungen, dass sich aus Angst vor polizeilicher Ahndung bald kaum mehr jemand in die Gästelisten einträgt, hält Herrmann für „völlig unbegründet“.
In Bayern sei „ein Dutzend Mal“ von der Möglichkeit Gebraucht gemacht worden. „Das ist eine absolute Ausnahme nach den strengen Vorgaben der Strafprozessordnung.“ Es werde keineswegs von der Polizei beliebig darauf zugegriffen.
Demgegenüber sagte der Stuttgarter Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe, eine Verwendung der Listen durch die Polizei zur Verfolgung von Straftaten sei unzulässig. „Die Daten von Gaststättenbesucher werden nur zur Nachverfolgung von möglichen Infektionswegen genutzt“, sagte er.
Das Thema sei „hochgradig sensibel“, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). Die Regierungen der 16 Bundesländer müssten „dringend für Klarheit“ über die Verwendung der Daten durch die Polizei sorgen, sagte Hartges.
Restaurants registrieren derzeit auf Anordnung der Gesundheitsämter persönliche Daten ihre Gäste. Dies soll bei der Nachverfolgung potenzieller Infektionsketten dienen. Zuletzt waren jedoch Fälle in Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz bekannt worden, bei denen auch die Polizei auf die Daten zugegriffen hatte. Die Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) rechtfertigte das Vorgehen ausdrücklich.
Der Zugriff auf die Listen ist den Strafverfolgungsbehörden nach den Regeln der Strafprozessordnung erlaubt, wie eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums der Nachrichtenagentur AFP sagte. Es müssten allerdings die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. „Eine solche Maßnahme muss dabei stets in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der jeweiligen Tat stehen“, sagte die Sprecherin.
Nach Paragraf 94 der Strafprozessordnung können Gegenstände, die als Beweismittel für eine Untersuchung von Bedeutung sein können, in Verwahrung genommen werden. Sie können auch beschlagnahmt werden.
„Für den Zugriff auf die Gästelistendaten muss es klare, einheitliche Regeln geben“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer zu AFP. „Wenn wegen Lappalien auf die sensiblen Daten zugegriffen wird, könnten die Gäste als Reaktion falsche Daten eintragen.“ Damit würde die gesamte Datenerfassung obsolet.
In einem Schreiben an die rund 65.000 Dehoga-Mitglieder, aus dem die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Mittwoch zitiert hatten, brachte der Verband seine Sorge um die Akzeptanz der Gästelisten zum Ausdruck. In jedem Fall solle „äußerst zurückhaltend von derartigen Zweckänderungen der Datenerhebung Gebrauch gemacht werden“, heißt es darin.