Im Zusammenhang mit den rechtsextremen „NSU 2.0“-Drohmails hat es zwei vorläufige Festnahmen gegeben. Der Tatverdacht richte sich gegen einen 63 Jahre alten ehemaligen bayerischen Polizisten und dessen 55 Jahre alte Ehefrau, teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am Montag mit. Beide seien am Freitag in Landshut vorläufig festgenommen worden, mittlerweile aber wieder frei.
Demnach ging die Staatsanwaltschaft zusammen mit Kräften des hessischen Landeskriminalamts und der bayerischen Polizei am vergangenen Freitag in Landshut gegen das Ehepaar vor. Der ehemalige Polizist sei bereits früher wegen rechtsmotivierter Straftaten aufgefallen.
Die beiden sollen hinter den E-Mails mit beleidigenden, volksverhetzenden und bedrohenden Inhalten stecken, die an Bundestagsabgeordnete und andere Adressaten verschickt wurden. Da keine Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorlägen, seien die beiden Tatverdächtigen wieder freigelassen worden. Haftgründe sind etwa Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr.
Die Auswertung der bei der Durchsuchung beschlagnahmten Datenträger sowie die weiteren Ermittlungen dauerten noch an, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die Vorwürfe gegen das Ehepaar lauteten auf Bedrohung, Volksverhetzung, verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen und Beleidigung.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte nach den Festnahmen harte Konsequenzen für die mutmaßlichen Täter. „Die Disziplinarbehörde der Bayerischen Polizei hat gegen den ehemaligen Beamten, der seit 16 Jahren im Ruhestand ist, bereits ein Disziplinarverfahren eingeleitet“, sagte Herrmann der „Augsburger Allgemeinen“ (Dienstagsausgabe). „Sollte sich der Verdacht bestätigen, drohen dem ehemaligen Beamten harte dienstrechtliche Sanktionen bis hin zur Aberkennung des Ruhegehalts.“
Der Beschuldigte war demnach Ende Mai 2004 im Alter von 47 Jahren vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden, da er krankheitsbedingt dauerhaft dienstunfähig gewesen sei. Zuletzt sei er in der Polizeiinspektion Landshut tätig gewesen. Über seine genaue Rolle beim Versand der Drohmails forderte Herrmann schnellstmögliche Aufklärung. Die Festnahmen begrüßte der Minister als Erfolg.
„Gut, dass der Ermittlungsdruck in Sachen NSU 2.0-Mails endlich zu wachsen scheint. Viel zu lang hatte man den Eindruck, es passiere gar nichts“, erklärte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz in Berlin. Er betonte allerdings, für eine Entwarnung sei es noch zu früh. Auch FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae forderte: „Wichtig ist, dass die Ermittlungsbehörden konsequent am Ball bleiben und für schnelle Aufklärung sorgen.“
Der Fall sorgte in Hessen auch für einen Justizskandal, in dem Landespolizeipräsident Udo Münch zurücktrat. Vor dem Versand der Mails waren unerlaubt Daten von Empfängerinnen von Polizeicomputern in Hessen abgerufen worden. So hatten die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz und die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler nach solchen Abfragen Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ erhalten. Auch die Kabarettistin Idil Baydar erhielt Drohmails.
In der Affäre steht auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) unter Druck. Er hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass bis dahin 69 „NSU 2.0“-Schreiben bekannt gewesen seien. Empfänger waren demnach unterschiedliche Personen des öffentlichen Lebens, die meisten von ihnen Frauen. Das Kürzel „NSU 2.0“ erinnert an die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).