Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ermittelt nach mehreren rechtsextremen Drohungen gegen Politiker und Personen des öffentlichen Lebens in Hessen gegen Unbekannt. Mehrere Menschen seien von den Schreiben betroffen gewesen, sagte eine Sprecherin der Ermittlungsbehörde am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Angaben zu der Anzahl oder den Namen der Betroffenen machte sie nicht. Einige der Daten seien von Polizeicomputern in Wiesbaden abgerufen worden.
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) kündigte für den Nachmittag eine Stellungnahme an. Der Verlagsgruppe Rhein Main (VRM) zufolge soll der hessische Landespolizeipräsident um seinen Rücktritt gebeten haben.
Am Dienstag hatte die „Frankfurter Rundschau“ (FR) unter Berufung auf einen internen Polizeivermerk berichtet, dass persönliche Daten der Berliner Kabarettistin Idil Baydar unberechtigt von einem hessischen Polizeicomputer abgerufen worden sein sollen. Baydar wird eigenen Angaben zufolge seit März 2019 bedroht. Damals veröffentlichte sie in sozialen Netzwerken mehrere Bilder von rechtsextremistischen Droh-SMS, die sie erhalten habe. In einer Nachricht nahm die Todesdrohung Bezug auf das Attentat auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch im März 2019. Unterzeichnet waren die Nachrichten mit „SS-Obersturmbannführer“. Insgesamt habe sie 2019 acht Mal Anzeige wegen Bedrohung erstattet, sagte Baydar am Sonntag in einem Interview mit „Zeit Online“.
Baydar ist laut Medienberichten die dritte Prominente, bei der es unberechtigte Datenabfragen bei der hessischen Polizei gegeben haben soll. Zuvor wurden rechtsextreme Drohschreiben an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und die hessische Linken-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler bekannt. Die Abfrage persönlicher, nicht-öffentlicher Daten soll in allen Fällen von Computern der hessischen Polizei erfolgt sein. Bereits im vergangenen Jahr war wegen des Verdachts eines rechtsextremen Netzwerks innerhalb der Polizei in Frankfurt am Main ermittelt worden.
Wissler erhielt in den vergangenen Monaten mehrmals Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“. Bereits 2019 bekam Basay-Yildiz, die im NSU-Prozess Opfer vertreten hatte, Drohschreiben mit dem gleichen Absender. Die Abkürzung steht für den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund, der zwischen 2000 und 2007 zehn Morde in Deutschland verübt hatte. Die Schreiben enthielten demnach persönliche, öffentlich nicht bekannte Informationen.
Hessens Innenminister Beuth hatte in der vergangenen Woche einen Sonderermittler zu den Drohmails eingesetzt: Der Direktor der Kriminaldirektion im Frankfurter Polizeipräsidium, Hanspeter Mener, übernahm federführend die Ermittlungen.
Der 54-Jährige soll dem Landespolizeipräsidenten über alle Ermittlungsstände unmittelbar berichten. „Der Ermittlungskomplex zu den Drohschreiben in Hessen ist von besonderer Bedeutung und die Erwartungshaltung ist zurecht, dass sich die hessische Polizei diesen Ermittlungen mit aller Kraft und allen zur Verfügung stehenden Mitteln widmet“, erklärte Mener. Beuth hatte gesagt, die Vorfälle nährten den Verdacht eines rechtsextremen Netzwerks in der hessischen Polizei, auch wenn ihm dafür keine Belege vorlägen.
Unterdessen wurde in Hessen Kritik an Beuth laut. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag, Günter Rudolph, bezeichnete den Innenminister am Montag als „Belastung für die Aufklärung der Affäre“. Beuth habe das Landeskriminalamt „zum alleinigen Sündenbock“ erklärt, kritisierte er. Nach einem Bericht des Hessischen Rundfunks will sich der Innenausschuss kommende Woche in einer Sondersitzung mit den Drohmails und den Ermittlungen beschäftigen.