Will Papst Franziskus einen Aufstand der deutschen Bischöfe? Die ersten bischöflichen Reaktionen auf die am Montag überraschend veröffentlichte Instruktion zur Zukunft der Pfarrgemeinden zeigen einen Ungehorsam gegenüber dem Papst, wie es ihn nur selten gibt. Die Sorge der deutschen Bischöfe ist erklärbar – nach den jüngsten Rekordaustritten aus der katholischen Kirche müssen sie fürchten, dass die Austrittswelle noch größer wird.
Das von der Kleruskongregation mit dem Segen des Papsts veröffentlichte Papier aus dem Vatikan trägt den Titel „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“. Darin finden sich neben vielen allgemeinen Feststellungen auch konkrete Anweisungen: Vor allem sollen in den Gemeinden trotz Priestermangels die Pfarrer die Chefs bleiben.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki dankt ausdrücklich dem Papst für das Papier, das völlig unerwartet veröffentlicht wurde und erst allmählich seine Wirkung entfaltet. „Papst Franziskus rückt hier einiges zurecht“, glaubt Woelki. Der als stärkster Vertreter der Konservativen in der deutschen Kirche geltende Kölner steht mit seinem Zuspruch aber bisher allein.
Die Deutsche Bischofskonferenz will sich erst in einigen Wochen mit dem Text befassen. Ihr stellvertretender Vorsitzender, der Osnabrücker Bischof Franz Josef Bode, sieht in der Veröffentlichung aber bereits jetzt eine „Umkehr zur Klerikalisierung“ – also zum überholten Modell früherer Jahrhunderte, in dem das Wort des Priesters über allem stand.
Bode trifft die Anweisung aus Rom besonders, weil er als einer der ersten auf die Leitung von Pfarrgemeinden durch Laien setzte. Dies ist bisher in fünf Gemeinden des Osnabrücker Bistums der Fall, in drei davon haben Frauen die Leitung. Das für katholische Verhältnisse vergleichsweise moderne Modell will der Papst aber nicht, moderne Bezeichnungen wie „Leitungsteams“ werden untersagt.
Bischof Bode ließ schon durchblicken, sich nicht an die Anweisung zu halten. Normen würden nicht greifen, „wenn sie zu einem großen Teil von der Realität längst überholt sind“. Der Bischof rettet sich dabei auf einen Passus der Instruktion: Nur wenn es eine außerordentliche und vorübergehende Situation ist, dürften Laien doch stärker beteiligt werden. „Ich bin der Meinung, dass diese Not bei uns an so manchen Stellen permanent existieren wird.“
Auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf äußert offenen Widerstand. „Ich kann den Eingriff in meine bischöfliche Hirtensorge nicht so einfach hinnehmen“, erklärte Kohlgraf. Wenn Pfarrer in Zeiten des Priestermangels Vorsitzende aller Gremien sein müssten, würden sie sich „zu Tode tagen“. Außerdem fürchtet er, dass sich die Zahl der engagierten Katholiken noch weiter reduziert – „bald werden sie genug davon haben, wenn ihr Engagement nur misstrauisch beäugt und von oben herab bewertet wird“.
Die Frage wird sein, wie der Vatikan reagiert, wenn die traditionell aufmüpfige deutsche katholische Kirche die Instruktion nicht befolgt. Aber noch viel mehr stellt sich die Frage, warum der mit so vielen Hoffnungen auf Reformen 2013 zum Papst gewählte Franziskus überhaupt solch ein Papier zulässt.
Müsste ein Zwischenfazit seiner inzwischen ähnlich lange wie das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. dauernden Amtszeit gezogen werden, steht Franziskus längst nicht mehr für die mit ihm verbundenen Hoffnungen auf einen Aufbruch. Er lehnt die Kommunion für protestantische Ehepartner ab, ging nicht auf aus der Kirche selbst geforderte Lockerungen des Zölibats ein und scheint die Forderung der Diakonweihe für Frauen verschleppen zu wollen.
Bisher gab es von den Bischöfen daran allenfalls leise Kritik. Damit scheint es nun vorbei zu sein, die katholische Kirche scheint auf einen offenen Konflikt zuzusteuern.