Olaf Scholz: Beliebter Kanzlerkandidat oder bloß ein Minister mit Makel

Olaf Scholz - Bild: REUTERS/Annegret Hilse/Pool/File Photo
Olaf Scholz - Bild: REUTERS/Annegret Hilse/Pool/File Photo

Es sah so gut aus für Olaf Scholz. In Umfragen wurde er als wichtigster Politiker seiner Partei eingestuft, für die Kanzlerkandidatur war er der aussichtsreichste Interessent. Selbst seine einst scharfe Rivalin, Parteichefin Saskia Esken, rang sich zu der Aussage durch, mit einer Kanzlerkandidatur des Bundesfinanzministers hätte sie kein Problem. Doch im Wirecard-Skandal gerät Scholz zunehmend unter Druck – und beschert seiner Partei damit neue Probleme.

Dem Vizekanzler ist ein bemerkenswerter Wiederaufstieg gelungen, seit er Ende November mit seiner Partnerin Klara Geywitz im Kampf um den SPD-Vorsitz Esken und ihrem Partner Norbert Walter-Borjans unterlag. Für seinen Posten als Parteivize trat er nicht nochmal an, auch über einen Rücktritt vom Ministeramt wurde spekuliert. 

Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Teams war so harsch gewesen, dass eine enge Kooperation, wie sie für Parteiführung und Vizekanzler nötig ist, schwer machbar schien. Doch die drei rauften sich zusammen. Spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie war für Animositäten ohnehin kein Raum mehr.

Schon früh war außerdem klar, dass die neuen Parteivorsitzenden keinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erheben würden. Während zwischenzeitlich auch andere Namen kursierten, insbesondere der von Fraktionschef Rolf Mützenich, gewann in den vergangenen Wochen immer mehr Scholz an Unterstützung. Der 62-Jährige konnte sich zugleich mit den Corona-Hilfspaketen und Nachtragshaushalten als Krisenmanager präsentieren.

Die Sprecherin des Seeheimer Kreises, Siemtje Möller, formulierte es im Juni so: „Es gibt keinen anderen und es gibt keinen besseren“, sagte sie dem „Handelsblatt“ zu Scholz‘ mögliche Kanzlerkandidatur. Tatsächlich drängen sich keine Alternativen auf – weder aus dem Bundeskabinett, noch aus der Riege der Ministerpräsidenten. In der Kombination aus langer Erfahrung und großer öffentlicher Präsenz kann es mit Scholz niemand aufnehmen.

Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur soll im Herbst fallen. Doch mit der Wirecard-Affäre taucht auf dem Weg dorthin ein dicker Stolperstein für Scholz auf. Denn der Finanzminister wusste bereits im Februar 2019, dass die Aufsichtsbehörde Bafin bei dem Dax-Konzern wegen Marktmanipulation ermittelte.

Oppositionspolitiker fordern einen Untersuchungsausschuss zu Wirecard – dabei würde es unter anderem um die Rolle von Scholz und seinem Ministerium gehen. Dieses hat auch die Aufsicht über die Bafin, der im Fall Wirecard ebenfalls Versäumnisse vorgeworfen werden.

Ein Kanzlerkandidat, über dessen mögliche Verfehlungen über Monate in einem Untersuchungsausschuss gebrütet wird? Das wäre für die SPD, die ohnehin mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen hat, eine schwere Belastung.

In der Partei ist nun die Verteidigung angelaufen. Die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe sagte dem „Spiegel“, über Unregelmäßigkeiten bei Wirecard habe es schon vor Scholz‘ Amtsantritt Berichte gegeben. Außerdem müsse Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Aufklärung leisten, weil er die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer hat, die Bilanzfälschungen bei Wirecard offenbar lange nicht entdeckten.

Derweil ließ das Finanzministerium via „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ wissen, dass es Informationen zu Wirecard im August 2019 an das Kanzleramt weitergegeben habe – welches sich im September während einer China-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für das Unternehmen einsetzte. Bei der Informationsweitergabe sei es auch um Vorwürfe gegen Wirecard gegangen.

Vielleicht, so wohl die Hoffnung der SPD, kommt es für Scholz also auch im Falle eines U-Auschusses nicht allzu schlimm, so dass seine Kanzlerkandidatur nicht gefährdet wäre. Alternativ könnte doch noch jemand anderes für die Position gefunden werden – mit dem möglichen Makel, nur zweite Wahl zu sein.

Oder die Partei besinnt sich auf Gedankenspiele ihres heutigen Vorsitzenden aus der Zeit des innerparteilichen Wahlkampfs: Im November hatte Walter-Borjans gesagt, angesichts der Umfragewerte sei die SPD nicht in der Position, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen.

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