Opferanwälte beklagen massive Versäumnisse bei Aufklärung von Loveparade-Unglück

Loveparade - Unglückstunnel - Bild: Arne Müseler / CC BY-SA
Loveparade - Unglückstunnel - Bild: Arne Müseler / CC BY-SA

Zehn Jahre nach der Duisburger Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten haben Opferanwälte den Behörden massive Versäumnisse bei der Aufklärung der Tragödie vorgeworfen. „Am Ende steht grenzenlose Enttäuschung“, erklärten die Rechtsanwälte Gerhart Baum und Julius Reiter am Donnerstag in Düsseldorf. Der frühere FDP-Bundesinnenminister Baum und Reiter vertreten 80 Hinterbliebene und Opfer des Unglücks.

Die Enttäuschung richte sich „mehr oder minder an alle, die für Aufklärung zuständig waren – an die Gerichte, die Staatsanwaltschaften, aber auch die Polizei und in geringerem Maße auch an die Politik“, betonten die Anwälte. „Die eigentlich Verantwortlichen standen nicht vor Gericht – und es war ein Fehler der Justiz, sich nicht noch stärker auf das Verwaltungsversagen der Stadt Duisburg konzentriert zu haben.“

Bei der Loveparade in Duisburg waren am 24. Juli 2010 durch ein tödliches Gedränge am Zugangsbereich 21 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 650 Menschen verletzt worden. Wegen der Katastrophe wurden sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier des Loveparade-Veranstalters vor Gericht gestellt. Das Landgericht Duisburg stellte den Strafprozess am 4. Mai endgültig und ohne Urteil ein, weil die Angeklagten nur eine geringe individuelle Schuld treffe.

Baum und Reiter erklärten: „Wir schämen uns gegenüber unseren Mandanten und besonders gegenüber den ausländischen Mandanten – dass nun am Ende nicht in letzter Klarheit deutlich wurde, was zur Katastrophe geführt hat und welches Versagen einzelner dafür verantwortlich war.“

Die Anwälte fügten hinzu, dabei gehe es nicht nur um „die strafrechtlich relevante individuelle Schuld, die wegen Verjährung jetzt ohnehin nicht mehr zur Debatte steht“. „Es ging immer auch darum, das komplexe Verwaltungsversagen im Einzelnen aufzudecken, was nicht geschehen ist.“

Alle Widerstände und Bedenken gegen die Loveparade in Duisburg seien von der Verwaltung „niedergebügelt“ worden, kritisierten die Anwälte. „Bis zum Schluss setzten sich die Verantwortlichen über die erheblichen Sicherheitsbedenken in ihrer eigenen Verwaltung hinweg.“ Duisburgs damaliger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) sei seinerzeit abgetaucht – „ein klassisches Organisationsversagen“.

Zehn Jahre nach der Tragödie müsse der auf fünf Millionen Euro aufgestockte Nothilfefonds für die Opfer „mit Leben erfüllt und weiter ausgebaut werden“, forderten Baum und Reiter. Eine zuletzt vom nordrhein-westfälischen Landtag geforderte Kommission solle nicht nur Konsequenzen für künftige Großveranstaltungen ausarbeiten: „Aus Anlass des Fehlverhaltens der Duisburger Stadtverwaltung müssen Verhaltensregeln entwickelt werden, nach denen die Mitglieder einer Verwaltung, die rechtlich begründete Bedenken geltend machen, auch gehört werden.“

„Immer wieder erleben wir, dass – wie in Duisburg geschehen – korrektes Verwaltungsverhalten politischer und sachfremder Opportunität untergeordnet werden – und das bundesweit“, erklärten die Anwälte. „In solchen Fällen muss Widerstand ernst genommen werden und zur Geltung kommen – hier könnte NRW auf neues Denken bundesweit Einfluss nehmen.“

Auch sollten Landesregierung und Landtag sollten prüfen, ob nach niederländischem Vorbild ein sogenanntes Safetyboard ins Leben gerufen werde, das nach behördlichen Fehlleistungen unabhängige Aufklärungsarbeit leiste, mahnten Baum und Reiter.

„Als erster Schritt könnte beim niederländischen Board jetzt eine Untersuchung der Loveparade-Katastrophe in Auftrag gegeben werden, um eines zu erreichen: unabhängig von strafrechtlicher Schuld festzustellen, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass an einem solchen für jeden Laien erkennbar ungeeigneten Ort eine solche Veranstaltung überhaupt genehmigt werden konnte.“

„Eines lässt sich dadurch nicht ungeschehen machen – ein erheblicher Ansehensverlust der Justiz“, erklärten die Opferanwälte. Die Mahnung des Vorsitzenden Richters in dem Strafprozess „an unsere Mandanten, ‚es doch jetzt mal gut sein zu lassen‘, hat diese tief verletzt“.

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