In Bolivien haben sich tausende regierungskritische Demonstranten über die Corona-Restriktionen hinweggesetzt. Sie versammelten sich am Dienstag in La Paz, um gegen die zahlreichen Entlassungen von Beschäftigten in der Corona-Krise und gegen Mängel im Gesundheits- und Bildungswesen zu protestieren. Es war die größte Demonstration in dem südamerikanischen Land, seit sich das neuartige Virus dort ausgebreitet hat.
Rund 4000 Menschen marschierten für die Demonstration von der Nachbarstadt El Alto nach La Paz. Für beide Städte gelten Ausgangsbeschränkungen. Fast alle Demonstranten trugen jedoch Atemschutzmasken. In Bolivien gibt es fast 50.000 bestätigte Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus, etwa 2000 Todesfälle durch die Pandemie wurden verzeichnet. Auch Übergangspräsidentin Jeanine Áñez und fünf Minister haben sich mit dem Coronavirus angesteckt.
In Bolivien sollen am 6. September Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden. Die Wahlen waren ursprünglich für Anfang Mai angesetzt gewesen, aber wegen der Pandemie verschoben worden.
Áñez, die für das höchste Staatsamt kandidiert, und auch andere Präsidentschaftsbewerber plädieren jedoch für eine mögliche weitere Verschiebung der Wahl. Den Urnengang wollen sie möglichst erst stattfinden lassen, wenn die Ausbreitung des Virus nachlässt. Die Demonstranten in La Paz riefen jedoch: „Was wollen wir? Wahlen jetzt!“
Die konservative Politikerin Áñez war ins Amt gekommen, nachdem der langjährige linksgerichtete Staatschef Evo Morales im November zurückgetreten war. Vorausgegangen waren von Manipulationsvorwürfen überschattete Präsidentschaftswahlen und wochenlange Proteste gegen den Präsidenten. Morales flüchtete ins Ausland und lebt inzwischen in Argentinien. In Bolivien wird gegen ihn unter anderem wegen des Vorwurfs des „Terrorismus“ strafrechtlich ermittelt.