Mehr als eine halbe Million Kinder und Jugendliche in Deutschland könnte laut einer Studie einen gefährlichen Umgang mit Computerspielen haben. Zehn Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen erfüllen entsprechende Kriterien, wie aus der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie der Krankenkasse DAK Gesundheit hervorgeht. Das entspreche etwa 535.000 Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Außerdem stieg die Nutzung von Computerspielen und sozialen Netzwerken demnach in der Corona-Krise deutlich an.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht riskante Nutzung unter anderem mit der Vernachlässigung anderer Aktivitäten einher. Außerdem erfüllen laut der Studie 2,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen die Kriterien eines krankhaften Computerspielverhaltens, wobei Jungen statistisch mehr als doppelt so oft wie Mädchen betroffen sind. Zu den WHO-Kriterien für pathologische Mediennutzung gehören unter anderem Kontrollverlust und eine Fortsetzung des Verhaltens trotz negativer Konsequenzen.
„Es gibt erste Warnsignale, dass sich die Computerspielsucht durch die Pandemie ausweiten könnte“, warnte Andreas Storm, Vorstandschef der DAK Gesundheit. Für die repräsentative Studie in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und dem Umfrageinstitut Forsa wurden im September 2019 1221 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren mit jeweils einem Elternteil befragt.
Dabei berichteten weniger als vier von zehn, täglich digitale Spiele zu nutzen. Bei einer neuen Befragung Ende April 2020 und damit mitten in der Coronakrise gaben dies 54,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen an. Auch soziale Medien wurden demnach in der Krise von mehr Kindern und Jugendlichen täglich genutzt. Gaben im September 2019 noch 66 Prozent an, täglich soziale Medien zu nutzen, stieg ihr Anteil im April auf etwa drei Viertel der Befragten an.
Außerdem verbrachten die Kinder und Jugendlichen im Durchschnitt in der Pandemie täglich mehr Zeit vor dem Bildschirm. Werktags stiegen die durchschnittlichen Gamingzeiten von 79 auf 138 Minuten an, wie es hieß. Ebenfalls unter der Woche wurden soziale Medien den Angaben aus dem vergangenen Herbst zufolge 116 Minuten am Tag im Durchschnitt genutzt – in der Coronakrise stieg dies auf 193 Minuten am Tag an.
Demnach werden Computerspiele und soziale Medien vor allem genutzt, um Langeweile zu bekämpfen oder soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. Rund ein Drittel der Jungen und Mädchen will online aber auch der „Realität entfliehen“ oder Stress abbauen, wie die Krankenkasse mitteilte.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), bezeichnete den Anstieg der Verweildauer von Minderjährigen im Internet als „heftig“. Diese Entwicklung dürfe „so nicht weitergehen“, sagte die CSU-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Zahlen seien ein Aufruf an Eltern, Lehrer und Politiker, achtsamer sein. Nötig sei eine „bessere Medienkompetenz“ bei Kindern und jungen Erwachsenen. Sie müssten wissen, wie viel Nutzung der Onlinemedien „okay“ sei und ab und ab wann es zu viel werde.