Virus mit Folgen: Das lange Leiden einiger Coronavirus-Patienten

Corona in Deutschland
Corona in Deutschland

Bei Jenny Judge begann die Krankheit im März mit Fieber, Husten, Kopfschmerzen und Atemnot. Doch nach diesen typischen Symptomen hatte die forensische Psychiaterin aus London Covid-19 noch lange nicht durchgestanden. Es kamen in Wellen immer neue hinzu: Herzrasen, Hautausschlag, akustische Halluzinationen und die so genannten Covid-Zehen. „Gerade sind Verdauungsprobleme dran“, sagt die 48-Jährige – am Tag 111 ihrer Leidens-Odyssee.

Bald 13 Millionen Corona-Infektionen wurden weltweit gezählt, die Hälfte der Erkrankten gilt als geheilt. Doch einige der Erkrankten leiden noch nach Wochen oder sogar Monaten an der Infektion.

Laut einer Studie an 143 Patienten, die in Italien im Krankenhaus behandelt wurden, litten 87 Prozent von ihnen 60 Tage nach Krankheitsbeginn noch an mindestens einem Symptom. Am häufigsten seien Erschöpfung und Atemnot, heißt es in der Studie, die in der Fachzeitschrift „Jama Network“ veröffentlicht wurde. 

Für eine andere Studie der US-Gesundheitsbehörde wurden 350 Menschen zwei bis drei Wochen nach dem positiven Corona-Test befragt. Dabei gaben 60 Prozent der im Krankenhaus behandelten Patienten an, noch nicht gesund zu sein. Bei den Kranken, die sich zu Hause auskurierten, fühlte sich ein Drittel noch nicht gesund.

Viele leiden nicht nur unter den körperlichen Beschwerden, sondern auch unter dem Unverständnis, mit dem ihnen Ärzte und Arbeitgeber angesichts der anhaltenden Symptome oftmals begegnen. „Diese Menschen fühlen sich wirklich im Stich gelassen“, sagt Tim Spector, Professor für genetische Epidemiologie am King’s College in London und Initiator einer groß angelegten Studie zu den Symptomen von Covid-19.

„Viele leiden an einer lähmenden Müdigkeit“, sagt er. Spector identifizierte 19 Krankheitssymptome. Bis zu zehn Prozent der Patienten zeigten 30 Tage nach Ausbruch immer noch Krankheitszeichen. Der Mediziner hält Covid-19 für „noch merkwürdiger“ als seltene Autoimmunerkrankungen wie etwa Lupus, die sich ebenfalls auf unterschiedlichste Weise äußern.

Langzeit-Corona-Patienten haben sich in den Online-Netzwerken zu Selbsthilfegruppen zusammengeschlossen. Viele berichten von mangelndem Verständnis der Ärzte, zumal wenn sie zu Beginn der Epidemie erkrankten und nicht getestet werden konnten. Sie können nicht belegen, dass ihre Beschwerden überhaupt etwas mit dem Coronavirus zu tun haben.

Auch Jenny Judge, obwohl selbst Medizinerin, stieß auf Skepsis. Ein Arzt vermutete ihre Ängste und nicht die Corona-Infektion als Ursache ihrer Herz-Rhythmus-Störungen. 

Je mehr Patienten über langanhaltende Symptome berichten, desto leichter wird es für die Betroffenen, Gehör zu finden. Paul Garner, Professor für Infektionskrankheiten an der Liverpool School of Tropical Medicine schreibt in seinem Blog frustriert darüber, dass die Infektion bei ihm nach über drei Monaten immer noch nicht vorbei ist – obwohl immer von zwei Wochen Krankheitsdauer die Rede sei.

Garner hatte schreckliche Kopfschmerzen und Atemnot, seine Glieder kribbelten und einmal dachte er, er würde das Bewusstsein verlieren: „Ich glaubte, ich würde sterben, es war beängstigend“, schreibt er. Das Schlimmste seien die Verwirrung und die Stimmungsschwankungen gewesen, erzählt der 64-Jährige, der bisher gesund war. Nun, nach fast hundert Tagen, geht es ihm allmählich besser.

Noch ist unklar, ob das Virus selbst solche langwierigen Krankheitsverläufe verursacht oder ob es sich um eine überschießende Immunantwort des Körpers auf den Erreger handelt. Laut Spector sind bei einigen Langzeitpatienten noch immer Spuren des Virus nachweisbar. Ob sie auch noch ansteckend sind, ist aber unklar.

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