Wirecard: Vom Börsen-Liebling zum Fall für den Finanzausschuss

Wirecard-Firmenzentrale in Aschheim - Bild: Leo Molatore / CC BY-SA
Wirecard-Firmenzentrale in Aschheim - Bild: Leo Molatore / CC BY-SA

Wirecard galt über viele Jahre als deutsche Hoffnung für die digitale Finanzindustrie. Nun ist der insolvente Münchner Zahlungsdienstleister zu einem gravierenden Problem für den Finanzstandort Deutschland geworden – und für die Bundesregierung. Am Mittwoch berät der Finanzausschuss des Bundestags über den schon jetzt historischen Bilanz- und Betrugsskandal. Die Schlüsselmomente des rasanten Auf- und Abstiegs von Wirecard:

1999

Wirecard wurde im Jahr 1999 in München gegründet und konzentrierte sich schnell auf den Zahlungsverkehr im Internet. Zu den ersten Kunden gehörten vor allem Kasinos und Porno-Seiten, weil die früh auf den Onlinehandel setzten.

2015

Wirecard legt zumindest nach außen hin ein spektakuläres Wachstum hin. Doch nach Angaben der Staatsanwaltschaft München I von vergangener Woche machte das Unternehmen spätestens ab Ende 2015 Verluste. Deshalb hätten Gründer und Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere Manager die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen des Unternehmens durch das Vortäuschen von Einnahmen aufgebläht.

SEPTEMBER 2018

Wirecard wird in den Deutschen Aktienindex (Dax) aufgenommen und ersetzt dort die traditionsreiche Commerzbank.

JANUAR 2019

Die „Financial Times“ veröffentlicht binnen mehrerer Wochen drei Artikel, in denen Wirecard der Bilanzfälschung beschuldigt wird. Das Unternehmen habe damit in Asien seine Bilanzen künstlich aufgeblasen. Zwar weist die Konzernführung die Vorwürfe als haltlos zurück. Doch der Kurs der Wirecard-Aktie bricht von Januar bis April um 40 Prozent ein.

FEBRUAR 2019

Die Finanzaufsicht Bafin veranlasst eine Sonderprüfung zu Wirecard. Damit beauftragt sie die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Medienberichten zufolge war dort aber nur ein einziger Mitarbeiter für den komplexen Fall zuständig. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wird über die Ermittlungen informiert.

SEPTEMBER 2019

Das Kanzleramt setzt sich auf einer China-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für Wirecard und den Markteintritt des Unternehmens in dem Land ein. Bereits im August hatte das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des Kanzleramts per E-Mail verschiedene Informationen zum Fall Wirecard weitergegeben. Medienberichten zufolge wurde auf Arbeitsebene auch mitgeteilt, dass Wirecard in den Fokus diverser Aufsichtsbehörden gerückt war.

OKTOBER 2019

Die „Financial Times“ berichtet erneut über Auffälligkeiten bei der Buchhaltung, diesmal im Zusammenhang mit Geschäften von Wirecard in der Golfregion. Der Aktienkurs bricht wieder ein.

NOVEMBER 2019

Die Prüfgesellschaft EY verweigert der Wirecard-Tochter in Singapur das Testat für die Richtigkeit der Jahresbilanz 2017 – neue Nahrung für den Betrugsverdacht.

APRIL

Die Prüfgesellschaft KMPG veröffentlicht ihren Bericht über die Bilanzen der Jahre 2016 bis 2018. In diesem beklagen die Prüfer, Wirecard habe ihnen zentrale Dokumente nicht beigebracht. 

5. JUNI

Die Finanzaufsicht Bafin verkündet, dass sie vor wenigen Tagen bei der Staatsanwaltschaft München I Strafanzeige gegen Wirecard wegen des Verdachts der Marktmanipulation gestellt hat. Die Staatsanwaltschaft durchsucht am 5. Juni den Firmensitz in Aschheim.

18. JUNI

Wirecard muss seinen Jahresabschluss erneut verschieben, weil die Abschlussprüfer keine ausreichenden Nachweise für die Existenz von Bankguthaben über 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten bei zwei asiatischen Banken hatten. Der Kurs der Wirecard-Aktie bricht um mehr als 60 Prozent ein.

19. JUNI

Wirecard-Chef Braun tritt zurück. Die Wirecard-Aktie stürzt erneut um mehr als 30 Prozent ab.

22. JUNI

Wirecard geht nun davon aus, dass die fehlenden 1,9 Milliarden Euro gar nicht existieren. Ex-Chef Braun wird wegen des Verdachts der Marktmanipulation verhaftet. Wenige Stunden später kommt Braun gegen eine Millionenkaution vorläufig frei. Der Wirecard- Aufsichtsrat entlässt den bereits zuvor freigestellten Vorstand Jan Marsalek. Seither ist der Österreicher flüchtig.

25. JUNI

Der Zahlungsdienstleister entscheidet, einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München zu stellen. Der Aktienkurs rauscht in die Tiefe.

1. JULI

Die Staatsanwaltschaft durchsucht fünf Gebäude von Wirecard in Deutschland und Österreich. 

22. JULI

Ex-Wirecard-Chef Braun wird erneut festgenommen. Zudem werden zwei weitere frühere Vorstände festgenommen. Grund ist laut Staatsanwaltschaft der nun „ganz erheblich“ erweiterte Tatvorwurf der Bilanz- und Umsatzfälschung schon seit dem Jahr 2015.

23. JULI

Das Bundesfinanzministerium reagiert auf den Skandal mit einem 16-Punkte-Plan für eine Reform der Finanzaufsicht.

29. JULI

Der Finanzausschuss des Bundestags will über Wirecard beraten. Zu dem Termin haben Finanzminister Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ihr Kommen zugesagt.

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