Die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) hat sich in 107 Fällen gegen Hasskommentare gewehrt. Sie habe 74 Strafanzeigen gestellt und Google in 33 Fällen auf Herausgabe der IP-Adressen von Nutzern verklagt, sagte Aras der „Süddeutschen Zeitung“ vom Montag. In 25 Fällen habe sie Recht bekommen, vier Nutzer seien von der Staatsanwaltschaft mittlerweile identifiziert worden.
Sie habe die Hassbotschaften lange ignoriert, weil das Netz nichts mit der realen Welt zu tun habe, sagte Aras. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im Juni 2019 sei für sie jedoch eine Zäsur gewesen. „Da fragte ich mich: Moment, was ist da passiert? Die Täter haben sich im Netz radikalisiert, und das endete in einem Mord an einem Vertreter unseres Staats“, sagte Aras. Demokraten müssten zeigen, dass sie „wehrhaft“ seien.
Aras kritisierte den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke), der Mitte Juli dem AfD-Landesvorsitzenden Stefan Möller den Mittelfinger gezeigt hatte. „Ich fand das unmöglich“, sagte Aras. Wäre das im baden-württembergischen Landtag passiert, hätte sie „auch dem Ministerpräsidenten“ einen Ordnungsruf erteilt. Abgeordnete sollten Vorbilder sein.
Die Landtagspräsidentin wehrte sich dagegen, nach den Krawallen von Stuttgart und Frankfurt am Main über die Verdächtigen unter dem Aspekt des Migrationshintergrunds zu diskutieren. Dieses Wort finde sie schwierig. „Wie lang muss ich mich denn erklären, wo ich oder meine Eltern geboren sind?“, sagte Aras. Die Hälfte der Gesellschaft in Stuttgart und Frankfurt habe „irgendeinen anderen Hintergrund“. Die Krawalle müssten Gegenstand einer sozialpolitischen und nicht einer migrationspolitischen Diskussion sein.