Absatz von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat erneut gesunken

Symbolbild: Pflanzenschutzmittel
Symbolbild: Pflanzenschutzmittel

Weniger Spritzen und Düngen auf den Feldern: Zwischen Bauernprotesten und Forderungen nach mehr Umweltschutz ist die Landwirtschaft in Deutschland weiter in Bewegung. Nach einem erneuten Rückgang beim Absatz von Pflanzenschutzmitteln im vergangenen Jahr warb Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am Mittwoch für eine differenzierte Sicht auf den Einsatz von Unkrautbekämpfungsmitteln oder Insektiziden und betonte die Bedeutung sicherer Ernten. Beim Thema Nitratbelastung des Grundwassers brachte das Bundeskabinett unterdessen neue Vorschriften für die Ausweisung sogenannter roter Gebiete auf den Weg.

Bei den Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmitteln sank die verkaufte Menge 2019 gegenüber dem Vorjahr um rund 6,7 Prozent, wie aus dem Jahresbericht zum Absatz an Pflanzenschutzmitteln hervorgeht. Insgesamt wurden damit laut Industrieverband Agrar (IVA), der Interessensvertretung der agrochemischen Industrie in Deutschland, rund 27.000 Tonnen Wirkstoff in den Markt gebracht – ein „Tiefstand seit der Jahrhundertwende“. Beim besonders im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Wirkstoff Glyphosat betrug der Rückgang im Vorjahresvergleich 11,3 Prozent.

„Die aktuellen Zahlen und auch der Trend der vergangenen Jahre zeigen, dass wir hier auf einem guten Weg sind“, sagte Klöckner. Begünstigt worden sei die Entwicklung allerdings auch durch die trockene Wetterlage.

Zugleich betonte die Ministerin, dass beim Thema Pflanzenschutz „Augenmaß“ nach dem Motto „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ erforderlich sei. „Komplettverbote sind schnell gefordert“, sagte sie. Es müssten jedoch auch „Folgeabschätzungen“ getroffen werden, sagte die Ministerin bei einer Pressekonferenz in Berlin, bei der sie anhand von Beispielen für Schäden auf Kartoffelfeldern durch Spinnenmilben oder durch den Apfelschorfpilz im Apfelanbau für eine differenziertere Betrachtung des Themas warb.

Klöckner nannte in diesem Zusammenhang auch die Forschung nach nicht-chemischen Alternativen und die zunehmende Digitalisierung, die einen präziseren Einsatz ermögliche; außerdem sprach sie sich für Offenheit gegenüber neuen Pflanzenzüchtungen aus.

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, kritisierte hingegen, dass sich der Absatz von Pflanzenschutzmitteln auch im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten weiterhin „auf sehr hohem Niveau“, befinde. Die aktuellen Zahlen könnten deshalb „nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Landwirtschaft sich noch kaum in Richtung ökologischer Nachhaltigkeit entwickelt hat“. Die Umweltschutzorganisation WWF forderte mehr Transparenz über die konkrete Verwendung verkaufter Pflanzenschutzmittel; der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprach sich unter anderem für ein Verbot von Pestiziden in Schutzgebieten aus.

Zum besseren Schutz des Grundwassers vor Nitrat, das insbesondere über das Düngen der Felder in die Umwelt gelangt, beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift, die bundesweit einheitliche Kriterien bei der Ausweisung sogenannter roter Gebiete vorsieht. Zusammen mit dem Anfang Mai novellierten Düngerecht gebe es damit „eine solide Grundlage“, um die Nährstoffbelastung von Gewässern zu verringern, erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). 

In den besonders belasteten Gebieten müssen die Bauern künftig strengere Düngeregelungen befolgen. Bisher wurde die Ausweisung dieser roten Gebiete von den Ländern aber unterschiedlich gehandhabt. Das führte nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums zu „erheblicher Kritik“ der EU-Kommission – aber auch bei den landwirtschaftlichen Betrieben. 

Nach Angaben des Umweltministeriums hat die EU-Kommission Deutschland eine weitere Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angedroht, wenn die Ausweisung der belasteten Gebiete nicht bis zum Jahresende 2020 durch die Länder erfolgt und die Länder nicht auch weitere Gebiete nach einheitlichen Standards einbeziehen. Am 18. September soll sich nun der Bundesrat mit der Verwaltungsvorschrift befassen.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) forderte, die Länder müssten nun „dringend ihre Hausaufgaben machen“. Betriebe, die ordnungsgemäß wirtschafteten, dürfen „nicht ungerechtfertigt“ mit den verschärften Auflagen überzogen werden, forderte DBV-Präsident Joachim Rukwied.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnte vor einem künstlichen „Wegrechnen“ von Grundwasser-Belastungen. Nötig sei eine echte und nachhaltige Verringerung der Nitrateinträge insbesondere in den roten Gebieten.

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