Autoangriff in Berlin: Verdächtiger war in derselben Flüchtlingsunterkunft wie Gefährder

Symbolbild: Polizei-Streifenfahrzeuge
Symbolbild: Polizei-Streifenfahrzeuge

Mutmaßlich islamistischer Anschlag auf einer innerstädtischen Autobahn in Berlin: Ein 30-jähriger Iraker ist dringend verdächtig, bei der Tat am Dienstagabend mit sechs Verletzten vorwiegend auf Motorradfahrer „Jagd gemacht zu haben“, wie der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Martin Steltner, am Mittwoch sagte. Der Mann sollte am selben Tag einem Haftrichter wegen versuchten Mordes in mindestens drei Fällen vorgeführt werden.

Bei offenbar gezielt herbeigeführten Zusammenstößen auf der innerstädtischen Autobahn 100 waren am Dienstagabend drei Menschen schwer und drei weitere leicht verletzt worden. „Äußerungen des Beschuldigten nach seinen Tathandlungen legen eine religiös-islamistische Motivation nahe“, erklärten die Ermittler.

Sie hatten demnach keine Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft des Verdächtigen in einer Terrororganisation. Die Berliner Staatsanwaltschaft und die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe teilten mit, sie stünden zu den Ermittlungen miteinander in Kontakt. 

Die Ermittler prüften noch mögliche Kontakte ins islamistische Milieu. Generalstaatsanwältin Margarete Koppers sagte im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses, der Iraker habe sich zwischen 2018 und 2019 in derselben Flüchtlingsunterkunft wie ein islamistischer Gefährder befunden. „Wie eng der Kontakt war, ist zu prüfen.“

Zum Verdächtigen selbst habe es bis zur Tat am Dienstagabend „keine Hinweise auf anschlagsrelevantes Verhalten“ gegeben, sagte Koppers. In Deutschland hat der Mann Ermittlerangaben zufolge einen Duldungsstatus bis Ende des Jahres.

Es gebe bei dem Verdächtigen vielmehr „Hinweise auf eine psychische Labilität“, teilten die Ermittler mit. Unklar war noch, ob der Mann deswegen statt in Untersuchungshaft auch in einer Psychiatrie untergebracht werden könnte. 

Koppers erläuterte dazu, im vergangenen Jahr sei das Amtsgericht Tiergarten in einem Urteil wegen Widerstandshandlungen vor einer Flüchtlingsunterkunft von psychischen Problemen des Manns ausgegangen. Damals sei er wegen partieller Schuldunfähigkeit freigesprochen worden. Demnach war er mehrfach mit Körperverletzungsdelikten aufgefallen.

Am Dienstagabend um kurz vor 19.00 Uhr hatten sich die Zusammenstöße auf der Autobahn ereignet. Nach Angaben Steltners rammte er zwei Motorradfahrer, ein Auto und streifte einen weiteren Wagen. Zum Stehen kam er demnach, als er ein Motorrad auf ein Auto „gedrückt“ habe, sagte Steltner.

Nach dem Aussteigen stellte er demnach eine alte Munitionskiste auf dem Autodach ab. Dabei gab er an, die Kiste sei gefährlich. Koppers zufolge sagte er am Tatort auf Arabisch, dass „alle sterben“ würden. Er habe ein Küchenmesser bei sich geführt und einen Gebetsteppich. Am Tatort soll der in Bagdad geborene Iraker außerdem „Allahu Akbar“ gesagt haben. 

Der Mann wurde von Polizisten überwältigt und festgenommen. Ermittler durchleuchteten die Kiste und öffneten sie schließlich mit einem Wassergewehr. Dabei stellte sich heraus, dass sich in dem Behältnis Werkzeuge befanden – eine Gefahr ging von der Kiste nicht aus.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sowie Innensenator Andreas Geisel (beide SPD) zeigten sich bestürzt. Wenn sich persönliche Probleme mit „religiös aufgeladenen Vorstellungen“ vermischten, könne dies zu unkontrollierbarem Handeln führen, erklärte Geisel. Laut Geisel war unter den Schwerverletzten auch ein Feuerwehrmann, der auf dem Heimweg war.

Auch Bundestagsfraktionsvize der Union Thorsten Frei (CDU) rief dazu auf, alles daranzusetzen, „die Radikalisierung von Einzelpersonen zu erkennen, die oft im stillen Kämmerlein erfolgt“. Probate Mittel seien etwa die Onlinedurchsuchung und eine Vereinfachung der Beobachtung von Einzeltätern für den Verfassungsschutz.

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