Berlin: Reichsflagge neben Regenbogenflagge

Bild: glomex

Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut“, ist am Samstag in Berlin immer wieder als Sprechchor zu hören. Zehntausende Menschen kommen am späten Nachmittag zu einer Kundgebung gegen die Corona-Politik an die Siegessäule. Es ist Teil zwei der für diesen Tag geplanten Corona-Proteste: Am Mittag hatten sich bereits etwa 18.000 Menschen zu einer Demonstration versammelt, die wegen nicht eingehaltener Mindestabstands gar nicht erst starten durfte. 

Viele Demonstranten an diesem Samstag in Berlin-Mitte sind wütend. Journalisten werden als „Lügenpresse“ beschimpft, Maskenträger harsch aufgefordert, den Mund-Nasen-Schutz abzulegen. „Schließt euch an“, skandieren die Demonstranten immer wieder in Richtung stoisch dreinblickender Polizisten.

Bereits am Vormittag versuchen die Veranstalter immer wieder, die Menge im Zaum zu halten. „Wir kommen in Frieden und wir sind gekommen, um zu bleiben“, ruft einer der Veranstalter in ein Mikrofon. Die Teilnehmer sollten sich bloß nicht von der Polizei provozieren lassen, denn das sei „genau das, was sie wollen“, ist von mehreren Demonstranten zu hören. 

Gleichzeitig weigern sich viele Teilnehmer des Demonstrationszugs am Mittag hartnäckig, der Aufforderung der Polizei nach Auflösung nachzukommen. „Wenn wir gehen, sind wir schwach; wenn wir bleiben, sind wir stark“, sagt eine Ordnerin. Nach mehreren Stunden des Ausharrens verlassen dennoch tausende Menschen den Bereich – womöglich, um zur anschließenden Kundgebung an der Siegessäule zu gehen. 

Einordnen lassen sich die Teilnehmer nur schwer. Sowohl Familien als auch betrunkene Männergruppen sind zu sehen. Viele positionieren sich eindeutig als Impfgegner und Anhänger von Verschwörungstheorien. Neben Deutschlandflaggen werden viele Reichsflaggen, aber auch unzählige Fahnen in Regenbogenfarben geschwungen. Auf einem Regenbogenplakat heißt es mit Bezug auf die Maskenpflicht: „Keine Maulkorbpflicht – gegen jede Art von Diskriminierung.“

Am Mittwoch hatte die Versammlungsbehörde den Demonstrationszug und die Großkundgebung wegen des Infektionsschutzes verboten, Gerichte kippten die Verbote jedoch. „Man kann eine Demo nicht verbieten“, kritisiert eine Teilnehmerin den Berliner Senat. „Dann ist die Demokratie echt am Arsch.“ 

Nicht nur die Anhänger der Kundgebungsinitiative Querdenken 711 hatten das Gefühl, die Demo-Absage der Versammlungsbehörde komme einem Maulkorb gleich. Auch aus CDU und CSU kam massive Kritik an der Absage aus dem rot-rot-grün regierten Berlin. 

Gleichzeitig behielten Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Polizeipräsidentin Barbara Slowik recht, als sie sich um die Einhaltung des Mindestabstands sorgten – stundenlang standen erklärte Maskenverweigerer dicht an dicht, ohne dass die 3000 eingesetzten Polizisten eingriffen.

Erst am Freitag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bürger auf einen schwierigen Herbst und Winter eingestimmt, ein Ende der Corona-Einschränkungen ist weiter nicht absehbar. Es dürften daher nicht die letzten Proteste gegen die Corona-Politik der Regierung gewesen sein. 

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