Coronavirus: Virenbefall der Nieren geht mit akutem Nierenversagen und erhöhter Sterblichkeit einher

Symbolbild: Coronavirus
Symbolbild: Coronavirus

In einer früheren Studie veröffentlichte Professor Huber am UKE in Hamburg, dass „SARS-CoV-2“ auch andere Organe als die Lungen, und zwar in einem besonderen Maße die Nieren befällt. Dort wurde bei den obduzierten Patienten auffällig häufig das Coronavirus nachgewiesen. Nun veröffentlicht Prof. Huber und sein Team die Ergebnisse einer Folgeauswertung von 63 älteren, an COVID-19 verstorbenen Patientinnen und Patienten. In dieser Kohorte wurde insgesamt bei 60% in den Nieren die RNA des neuartigen Virus in den Nieren aufgefunden.

Doch was bedeutet dieser Virusbefall der Nieren für die Prognose von COVID-19-Patienten?

Um das zu beantworten, setzte die Arbeitsgruppe den Nachweis der Virus-RNA erstmals mit dem dokumentierten klinischen Verlauf in Beziehung; konkret wurde geschaut, bei wie vielen Patienten, die im Verlauf der COVID-19-Erkrankung ein akutes Nierenversagen entwickelt hatten, das Virus in den Nieren post mortem nachgewiesen wurde. Im Ergebnis war bei 72% der COVID-19-Patienten, die ein akutes Nierenversagen erlitten hatten, SARS-CoV-2-RNA in den Nieren nachweisbar, während diese Rate bei Patienten ohne COVID-19-assoziiertes Nierenversagen deutlich geringer war. „Virusbefall der Nieren und Auftreten eines akuten Nierenversagens korrelierten also signifikant miteinander, was angesichts der relativ hohen Inzidenz des akuten Nierenversagens bei schweren COVID-19-Verläufen ein interessanter Befund ist“, erklärte Prof. Huber.

Eine Auswertung der Daten von 10.021 AOK-versicherten Patienten aus über 900 deutschen Krankenhäusern, die Ende Juli publiziert wurde, hatte gezeigt, dass allein 27% der beatmungspflichtigen COVID-19-Patienten während des Krankenhausaufenthalts dialysiert werden mussten, was bedeutet, dass sie ein schweres akutes Nierenversagen erlitten hatten. Das gleiche Ergebnis hatte zuvor schon eine Umfrage des Verbands der leitenden Krankenhausnephrologen (VLKN) unter ihren Mitgliedern ergeben.

„Bei Intensivpatientinnen und -patienten sehen wir häufig ein akutes Nierenversagen und auch bei COVID-19 könnte das Organversagen Folge eines sogenannten Zytokinsturms, einer Entgleisung des Immunsystems, sein – und somit indirekt vom Erreger ausgelöst werden. Doch die vorliegenden Daten zeigen nun, dass SARS-CoV-2 die Nieren zusätzlich auch direkt schädigen könnte“, so der Experte. Denn, wie die Hamburger Arbeitsgruppe erstmals zeigen konnte, findet in den Nieren auch eine Virusreplikation statt. „Wir isolierten die Virus-RNA aus der Niere eines Verstorbenen und sie vermehrte sich rasant im Reagenzglas, und zwar um den Faktor 1000 binnen 48 Stunden. Bekannt ist, dass SARS-CoV-2-Viren erst durch ihre Replikation in den Lungen zu Pneumonien und pathologischen Veränderungen führen. Daher erscheint es nicht abwegig, dass sich Ähnliches auch in den Nieren abspielen könnte.“ Dieses direkte, nierenschädigende Potenzial des neuartigen Coronavirus müsse nun weiter untersucht werden.

Weniger überraschend schätzen Experten hingegen das dritte Ergebnis der Studie von Huber ein, nämlich dass Patienten, die nachweislich Virus-RNA in den Nieren aufwiesen, eine höhere Rate an akuten Nierenversagen und auch eine höhere Sterblichkeit hatten. „Das kennen wir von Intensivpatienten ohne COVID-19. Die Mortalität von Patienten mit akutem Nierenversagen (AKI) ist etwa doppelt so hoch wie bei vergleichbar kranken Menschen ohne AKI“, erklärt Professor Dr. Jan C. Galle, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN). Die Fachgesellschaft macht sich daher seit Jahren für eine nephrologische Mit- und vor allem auch Nachbetreuung von AKI-Patienten stark. „Die nephrologische Mitversorgung ist wichtig, weil verschiedene internationale Studien gezeigt haben, dass 57-75,6% der AKI-Fälle nicht erkannt werden. Die nephrologische Nachsorge ist deswegen bedeutsam, weil das AKI ein Risikofaktor für die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz ist – und das gilt grundsätzlich auch für Patienten, die ein COVID-19-assoziiertes AKI erlitten haben.“

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