Das Bild der Klimakanzlerin hat Schatten bekommen

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Angela Merkel - Bild: Tobias Koch - Lizenz: CC BY SA 2.0/3.0

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel sich an diesem Donnerstag mit Greta Thunberg und Luisa Neubauer als Vertreterinnen der Fridays-For-Future-Bewegung trifft, wird dies nicht ohne Vorwürfe und kritische Fragen der jungen Frauen abgehen. Längst hat das einst strahlende Bild der Klimakanzlerin dunkle Flecken bekommen, die deutsche CO2-Bilanz ist zumindest durchwachsen.

Bezeichnend ist ein Disput zwischen Merkel und Thunberg um ein im vergangenen Jahr aufgenommenes gemeinsames Foto. Dieses war auf Wunsch der Kanzlerin am Rande des UN-Klimagipfels im September in New York entstanden. Später beschwerte sich die schwedische Klimaaktivistin darüber, dass sich Politiker zwar gern mit ihr fotografieren ließen, dem im Kampf gegen die Erderwärmung jedoch keine Taten folgen ließen. Ausdrücklich verwies Thunberg dabei auch auf Merkel.

Die Glanzzeit von deren Klimapolitik fällt tatsächlich eher in die Anfangsjahre ihrer Kanzlerschaft. Mit den „dreimal 20“ – 20 Prozent weniger Treibhausgase, 20 Prozent Öko-Energie und 20 Prozent weniger Energieverbrauch in der EU bis 2020 – setzte sie 2007 für die damalige Zeit ehrgeizige Zielmarken durch.

Seit der Finanzkrise 2008 und 2009 bröckelte der Glanz, von einem Vorrang für den Klimaschutz war immer weniger zu spüren. Auf nationaler wie auf EU-Ebene trat Merkel – mit Rücksicht etwa auf die heimische Auto- und Kohleindustrie – vermehrt als Bremserin auf, wenn es um strengere Abgaswerte oder geringere Emissionen aus der Kohleverstromung ging. Ab 2014 begrenzten Merkel und ihr damaliger Vizekanzler Sigmar Gabriel die Ökostrom-Förderung.

All dies führte bei Umweltverbänden und Klimaaktivisten zu wachsendem Verdruss über die Kanzlerin. Deutschland fiel beim Klimaschutz in der EU ins Mittelfeld zurück, bei der Emissionsminderung ging es über Jahre hinweg kaum voran. Gleichwohl bekannte sich Merkel stets weiter zu einem ehrgeizigen Klimaschutz und unterstützte etwa nachdrücklich den Weg hin zum 2015 geschlossenen Klimaschutzabkommen von Paris.

Pünktlich zum Treffen mit den FFF-Aktivistinnen konnte die Regierung am Mittwoch eine relativ positive Treibhausgasbilanz für 2019 vorlegen mit einem Minus beim CO2-Ausstoß um 35,7 Prozent verglichen mit 1990. Der Rückgang sieht dabei allerdings vor allem im Vergleich zur Stagnation der Jahre 2014 bis 2017 eindrucksvoll aus. Dass für 2020 sogar die schon aufgegebene 40-Prozent-Marke wieder in Sicht kommt, hat die Regierung maßgeblich dem Sondereffekt der Corona-Krise zu verdanken.

Allerdings bewegt sich auch unabhängig davon manches tatsächlich vorwärts. Schrittweiser Kohleausstieg bis spätestens 2038, Aufhebung des Solardeckels, ein wenigstens halbherziger Kompromiss zum Windkraftausbau, CO2-Bepreisung für Gebäude und Verkehr ab 2021 sind wichtige Weichenstellungen für die Zukunft – auch wenn dies für Fridays for Future ebenso wie für die große Mehrheit der Klimawissenschaftler viel zu zaghaft ist. 

Merkels eigene Rolle dabei wird unterschiedlich bewertet. Nur gelegentlich trat sie in den vergangenen Jahren als engagierte Klima-Vorkämpferin auf. Bei wichtigen Entscheidungen stoppte sie allerdings manchmal diejenigen in Union und SPD, die sich gegen mehr Klimaschutz zu stemmen versuchten. Ein Signal ist auch das Fehlen der umstrittenen Auto-Kaufprämie im Corona-Konjunkturpaket, das Merkel zumindest mittrug.

Auch in der EU trat die Kanzlerin zuletzt klimapolitisch wieder etwas entschiedener auf, am Mittwoch bekräftigte die Regierung noch einmal ihre Unterstützung für das Nachschärfen des EU-Emissionsziels für 2030 auf minus 50 bis minus 55 Prozent. Gleichwohl dürften Thunberg und Neubauer Merkel im Kanzleramt vorrechnen, warum das alles zu wenig ist, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Im britischen „Guardian“ warfen sie ihr und anderen europäischen Regierungschefs erneut vor, sich der dringlichen Aufgabe des Klimaschutzes zu verweigern.

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