Der Wirecard-Skandal hat auch die Deutsche Börse auf dem falschen Fuß erwischt. Als erstes Unternehmen im Deutschen Aktienindex (Dax) überhaupt meldete der Münchner Zahlungsdienstleister im Juni infolge des mutmaßlichen Milliardenbetrugs Insolvenz an. Dennoch steht der Skandalkonzern immer noch auf der Liste der 30 wichtigsten deutschen Unternehmen. Die Deutsche Börse will deshalb die Regeln für die Dax-Zusammensetzung ändern – und Wirecard damit schneller als bislang vorgesehen loswerden.
WIE WURDE DIE DAX-ZUSAMMENSETZUNG BISLANG ÜBERPRÜFT?
Die Zusammensetzung des Dax wurde auch zuvor regelmäßig angepasst – aber nur alle drei Monate. Für Insolvenzen wie im Fall Wirecard sehen die Dax-Regeln bisher keine sofortige Reaktion vor. Die nächste planmäßige Anpassung der Dax-Unternehmen ist für den 21. September geplant, wie Andreas von Brevern, Sprecher der Deutschen Börse, der Nachrichtenagentur AFP sagte. Grundlage dafür seien unter anderem Marktkapitalisierung und Börsenumsätze der Firmen. Zwar ist zu erwarten, dass Wirecard auch auf dieser Grundlage aus dem Dax fliegt – aber eben erst im Herbst.
WAS IST STATTDESSEN GEPLANT?
Der Kurs von Wirecard ist mittlerweile so niedrig, dass er im Dax insgesamt kaum mehr ins Gewicht fällt. Dennoch will die Deutsche Börse den insolventen Skandalkonzern möglichst rasch loswerden und schlägt dafür eine auf den Erfahrungen mit Wirecard basierende Änderung vor: Künftig sollen laut von Brevern Dax-Konzerne den Index nach einem Insolvenzantrag verlassen müssen – und das binnen zwei Handelstagen. Sie sollen zudem für ein Jahr aus dem Dax ebenso ausgeschlossen werden wie aus dem S-Dax, dem M-Dax und dem Tec-Dax. Auch für diese Indizes der Deutschen Börse soll die Reform gelten.
WANN FLIEGT WIRECARD AUS DEM DAX?
Die Deutsche Börse hat die geplanten Regeländerungen zunächst Marktteilnehmern – also Investoren oder Fondsmanagern – im Rahmen einer Umfrage vorgelegt. Die Ergebnisse der Umfrage sollen laut von Brevern bis Donnerstag veröffentlicht werden. Anschließend müssen die geplanten Regeländerungen finalisiert werden, was etwa eine Woche dauern soll, bevor sie auf Wirecard angewendet werden. „Ein möglicher Ausschluss könnte dann noch im August erfolgen“, sagte von Brevern.
WER KÖNNTE FÜR WIRECARD FOLGEN?
Wenn der erst im Jahr 2018 in den Dax aufgenommene Wirecard-Konzern wie erwartet aus der Gruppe der 30 größten deutschen Unternehmen fliegt, wird ein Nachfolger benötigt. Spekuliert wurde zuletzt, dass anstelle des Finanzdienstleisters der derzeit im M-Dax gelistete Lebensmittel-Lieferdienst Delivery Hero in den Dax aufsteigen könnte. Von Brevern wollte sich dazu nicht äußern. Allerdings gebe es klare Vorgaben für den Nachrücker: Dieser müsse bei der vergangenen Überprüfung vom Juli in der Rangliste ganz vorne gelandet sein.
SIND UMFASSENDER REFORMEN GEPLANT?
Mit diesen Änderungen will sich die Deutsche Börse aber nicht begnügen. Vielmehr solle das Dax-Regelwerk insgesamt überprüft werden, sagte von Brevern. Ergebnisse sollen bis zum Jahresende vorliegen.