Auch fünf Jahre nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise ringt die EU weiter um eine Asylreform. Wie kaum ein anderes Thema hat der Streit um die Verteilung von Flüchtlingen Gräben zwischen den Mitgliedstaaten aufgerissen. In einigen Wochen will die EU-Kommission einen neuen Vorschlag vorlegen. Doch ob es die unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft erhofften Fortschritte gibt, ist fraglich.
Die Flüchtlingskrise von 2015 hat gnadenlos Europas Schwächen in der Asylpolitik offenbart. Die Hauptankunftsländer Griechenland und Italien, die nach den sogenannten Dublin-Regeln eigentlich für Asylanträge der Ankömmlinge zuständig sind, zeigten sich angesichts hunderttausender Migranten völlig überfordert – und taten dann wenig, die Menschen daran zu hindern, einfach in andere Länder wie Deutschland weiter zu reisen.
Seitdem sucht die EU nach einem Kompromiss, der Ankunftsländer in Krisensituationen über eine Verteilung von Flüchtlingen entlastet. Doch osteuropäische Staaten wie Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei lehnen es seit Jahren kategorisch ab, sich an der Aufnahme von Migranten zu beteiligen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach nach ihrem Amtsantritt Ende vergangenen Jahres einen neuen Anlauf. Doch ihre Innenkommissarin Ylva Johansson musste die Vorlage eines Vorschlags mehrfach verschieben – auch weil ihre Pläne Mitgliedstaaten wie Deutschland nicht überzeugten. Sie wird nun voraussichtlich Ende September einen neuen Anlauf unternehmen.
Mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft im Juli legte sich auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ins Zeug. Er wolle für „einen großen Sprung“ bei der Asylreform kämpfen, kündigte er beim ersten Treffen mit seinen EU-Kollegen unter deutschem Vorsitz an.
Seehofer setzt dabei zunächst auf eine Einigung zu Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen. Von dort aus will er nicht schutzberechtigte Menschen direkt wieder in ihre Herkunftsländer zurückschicken.
Angesichts von Anerkennungsraten von einem Drittel müssten damit jedes Jahr zehntausende Menschen weniger in Europa verteilt werden, so das Kalkül des CSU-Ministers. Er will daneben auch mehr legale Wege nach Europa, um Menschen die Arbeitsaufnahme zu ermöglichen, ohne dass sie auf Menschenschmuggler angewiesen sind.
Letzteres sieht auch die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel positiv. Seehofers Pläne für Asylverfahren an den Außengrenzen halte sie dagegen „nicht für besonders solidarisch gegenüber Ländern wie Malta, Zypern oder Griechenland“, sagt sie. „Man sagt ihnen damit: Ihr habt weiter die ganze Arbeit, müsst alle aufnehmen, für alle das Asylverfahren machen.“
David Kipp von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erwartet dennoch, dass sich die deutschen Pläne „so oder ähnlich“ in dem Kommissionsvorschlag wiederfinden werden. Aber auch er ist skeptisch, ob Länder wie Griechenland Seehofers Vorschlag zustimmen würden.
„Das ist nur denkbar, wenn es eine politische Einigung zur Flüchtlingsverteilung gibt“, sagt der Migrationsexperte. Dabei müssten „nicht unbedingt alle Mitgliedstaaten“ mitmachen. Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass eine Aufnahme nur auf freiwilliger Basis nicht ausreiche.
Um die Blockade bei der Flüchtlingsaufnahme zu durchbrechen, schlägt Sippel vor, „dass die Staaten, die partout nicht mitmachen wollen, weniger Geld aus europäischen Fonds bekommen“. Die EU-Kommission wolle hier den Begriff „Sanktionen“ vermeiden. „Aber das Geld muss an diejenigen fließen, die bereit sind zu unterstützen.“
Doch bei Fortschritten noch unter deutscher EU-Präsidentschaft sind Sippel wie Kipp skeptisch. Die SPD-Politikerin verweist darauf, dass die EU mit den schwierigen Verhandlungen über den nächsten Mehrjahreshaushalt und zum Brexit schon ziemlich ausgelastet ist.
„Bestenfalls“ könne es bis Ende Dezember zu einer politischen Einigung kommen, sagt Kipp. Abgeschlossen werden müsste die Reform dann unter den folgenden Ratspräsidentschaften Portugal und Slowenien. Diese seien aber „weniger durchsetzungsstark“ als Deutschland, sagt der SWP-Experte. Er fürchtet deshalb, „dass das Momentum verpufft“.