Die große Koalition hat ihren Streit um die Reform des Wahlrechts beigelegt. Die Partei- und Fraktionsspitzen einigten sich am Dienstag in langwierigen Verhandlungen auf ein Zwei-Stufen-Modell: Für die Bundestagswahl 2021 soll eine Übergangslösung gelten, um den Zuwachs der Abgeordnetenzahl zu „dämpfen“, wie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte. Vor der Wahl 2025 soll dann die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert werden.
Die Koalitionsspitzen fassten dabei weitere Reformschritte ins Auge, die über das Ziel einer reinen Begrenzung der Abgeordnetenzahl hinausgehen. Nach der Bundestagswahl 2021 solle eine Reformkommission weitere Änderungen prüfen – etwa eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre, eine Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre sowie Regelungen zu einer paritätischen Vertretung von Frauen im Bundestag, heißt es im Beschlusspapier des Koalitionsausschusses.
An der Kommission sollen sich auch Vertreter der Opposition beteiligen. Sie soll noch in dieser Legislaturperiode eingesetzt werden, wie die Koalitionsspitzen vereinbarten. Ihre Ergebnisse soll die Kommission demnach bis Mitte 2023 vorlegen. Die für 2025 angestrebte Reduzierung der Zahl der Wahlkreise soll noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich verabschiedet werden.
Die Reform des Wahlrechts hat zum Ziel, eine weitere Vergrößerung des Bundestags zu verhindern. Die Konzepte von Union und SPD lagen allerdings zu Beginn des Koalitionsausschusses weit auseinander – die Regierungspartner verdächtigten einander, mit ihren jeweiligen Konzepten vor allem den eigenen Vorteil zu suchen.
Die eigentliche Reform des Wahlrechts soll dem Beschluss zufolge nun erst im zweiten Schritt für die Bundestagswahl 2025 greifen: Die Zahl der Wahlkreise wird um 19 reduziert, zudem soll es eine Beschränkung bei den Ausgleichsmandaten geben. Bis zu drei Überhangmandate sollen dann nicht mehr durch Ausgleichsmandate kompensiert werden.
Für die Bundestagswahl im kommenden Jahr soll eine Übergangslösung gelten: Die Zahl der Wahlkreise wird – anders als von der Union gewünscht – noch nicht reduziert. Eine Begrenzung der Zahl der Überhangmandate soll aber durch Veränderungen beim sogenannten ersten Zuteilungsschritt – also bei der Verteilung der Parlamentssitze auf die einzelnen Bundesländer – erreicht werden.
Diesen Kompromiss erzielten die Koalitionsspitzen in achtstündigen Verhandlungen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer charakterisierte die Gespräche als „schwierig“, CSU-Chef Markus Söder als „etwas zäh“. Zum Verlauf der Beratungen sagte er: „Da war am Anfang weniger Wumms und mehr Bumms.“ Es sei aber ein „fairer Kompromiss“ herausgekommen.
Zufrieden zeigte sich auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. Der Kompromiss stelle sicher, dass bereits nach der Wahl 2021 „der Bundestag kleiner wird als bisher“, sagte er. „Es sind wichtige Bremsen, die da eingezogen werden.“
Um die Zustimmung der SPD zu erhalten, mussten CDU und CSU Abstriche von ihrem Konzept hinnehmen: Dieses hatte vorgesehen, dass bis zu sieben Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert werden. Dies hätte nach Auffassung der SPD aber die Union begünstigt. CDU und CSU hatten zunächst auch angestrebt, die Zahl der Wahlkreise schon für die Wahl 2021 zu verringern. Dies hielt die SPD aber für nicht mehr machbar.
Die Regelgröße des Bundestags liegt bei 598 Abgeordneten – im derzeitigen Bundestag sitzen aber 709 Abgeordnete. Nach der Wahl 2021 könnten es – ohne Reform – möglicherweise mehr als 800 sein.
Der Zuwachs liegt vor allem an den Überhang- und Ausgleichsmandaten. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktkandidaten in den Bundestag bringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis eigentlich zustehen würden. Damit die Überhangmandate das Zweitstimmenergebnis nicht verzerren, bekommen die anderen Parteien dafür Ausgleichsmandate.