Kamala Harris hat jetzt schon Geschichte geschrieben. Als erste schwarze Frau wurde die Senatorin aus Kalifornien offiziell als Vize-Präsidentschaftskandidatin einer der großen US-Parteien nominiert. Jetzt will die Politikerin mit jamaikanisch-indischen Wurzeln an der Seite von Joe Biden den Rechtspopulisten Donald Trump aus dem Weißen Haus jagen. Mit ihrer Nominierungsrede auf dem virtuellen Parteitag der US-Demokraten stimmte die 55-Jährige ihre Anhänger auf einen harten Kampf ein.
„Täuscht euch nicht: Der Weg vor uns wird nicht einfach“, sagte die frühere kalifornische Generalstaatsanwältin. „Wir werden straucheln. Wir werden womöglich hinter den Erwartungen zurückbleiben. Aber ich verspreche euch, dass wir kühn handeln und ehrlich mit unseren Herausforderungen umgehen werden.“
„Bei dieser Wahl haben wir die Chance, den Gang der Geschichte zu verändern“, sagte Harris nicht ohne Pathos. „Lasst uns mit Überzeugung kämpfen. Lasst uns mit Hoffnung kämpfen. Lasst uns mit Vertrauen in uns kämpfen.“
Ihre Nominierungsrede, die sie wegen der Corona-Pandemie ohne großes Publikum halten musste, begann Harris mit einer Würdigung des Kampfes von Frauen für politische Teilhabe: Vor 100 Jahren wurde in den USA das Frauenwahlrecht eingeführt, auch in den folgenden Jahrzehnten mussten Frauen für ihre Rechte kämpfen.
Die 1964 im kalifornischen Oakland geborene Harris schilderte, wie ihre Eltern sie als kleines Mädchen im Kinderwagen mit zu Bürgerrechtsprotesten mitnahmen. Und wie ihre Mutter, die als 19-Jährige aus Indien eingewandert war, sie und ihre Schwester nach der Trennung von ihrem aus Jamaika stammenden Mann alleine großzog. „Sie hat uns erzogen, stolze, starke schwarze Frauen zu werden.“
Das ist ohne jeden Zweifel gelungen. Im Laufe ihrer Karriere durchbrach Harris immer wieder Barrieren. Nach Jahren als Staatsanwältin in San Francisco wurde sie 2011 als erste Frau und erste Afroamerikanerin Generalstaatsanwältin und damit Justizministerin von Kalifornien. Sechs Jahre später zog sie als erst zweite afroamerikanische Frau und erste Frau mit südasiatischen Wurzeln in den US-Senat ein.
Biden machte Harris vergangene Woche aus vielen Gründen zu seinem sogenannten Running Mate im Präsidentschaftsrennen. Sie ist eine der bekanntesten schwarzen Politikerinnen des Landes, verfügt über große politische Erfahrung, ist wahlkampferprobt und stark im Debattieren.
Letzteres musste Biden im vergangenen Jahr am eigenen Leib erfahren: In einer TV-Debatte griff Harris, die sich damals ebenfalls um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bewarb, den früheren Vizepräsidenten im Streit über Rassismus in den USA scharf an. Das belastete das Verhältnis der beiden zwischenzeitlich stark – für das gemeinsame politische Ziel Wahlsieg 2020 rauften sie sich aber zusammen.
Die mit einem Anwalt verheiratete Harris soll als Vize-Kandidatin wichtige Wählergruppen mobilisieren: Afroamerikaner, insbesondere jüngere, und Frauen, insbesondere aus den Vorstädten. Sie bringt dabei eine Energie und Dynamik mit, die dem 22 Jahre älteren Biden häufig fehlt.
Und während Vize-Kandidaten in Wahlkämpfen häufig eine untergeordnete Rolle spielen, dürfte dies bei Harris anders sein: Biden würde bei einem Wahlsieg mit 78 Jahren als ältester Präsident der US-Geschichte in das Weiße Haus einziehen und dürfte nur eine Amtszeit anstreben. Harris dürfte als Vizepräsidentin nicht nur mit vielen wichtigen Aufgaben betraut werden – sie wäre auch prädestiniert, sich um Bidens Nachfolge zu bewerben.
Trump fährt seit Tagen Attacken auf Harris. Als „fies“ hat er sie zuletzt wiederholt bezeichnet, ein Adjektiv, das der Präsident gerne für politische Rivalinnen nutzt. Zuletzt verbreitete er sogar die Verschwörungstheorie, Harris dürfte als Tochter von Einwanderern gar nicht Vizepräsidentin werden.
Doch Harris kann gegenhalten. „Inkompetenz“ und „Herzlosigkeit“ warf sie dem Präsidenten in ihrer Nominierungsrede vor. Und sie versprach, ein neues Kapitel aufschlagen zu wollen: „Wir können das besser und verdienen so viel mehr.“