Studie: Coronavirus breitet sich bei niedriger Luftfeuchtigkeit in Innenräumen stärker aus

Symbolbild: Coronavirus
Symbolbild: Coronavirus

Die Ausbreitung des Coronavirus über Aerosole in Innenräumen wird offenbar stark von der Luftfeuchtigkeit beeinflusst. Das schließen Forschende des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig und des CSIR-National Physical Laboratory in New Delhi aus der Analyse von 10 internationalen Studien zum Thema. Sie empfehlen daher neben den bisher üblichen Maßnahmen wie Abstand und Masken auch die Raumluft zu kontrollieren. Eine relative Feuchte von 40 bis 60 Prozent könne die Ausbreitung der Viren und die Aufnahme über die Nasenschleimhaut reduzieren.

Daher sei es für die Eindämmung der Coronavirus-Pandemie sehr wichtig, Standards für die Luftfeuchte in Innenräumen mit vielen Menschen wie Krankenhäusern, Großraumbüros oder dem Öffentlichen Nahverkehr zu schaffen und umzusetzen, schreibt das Forscherteam im Fachjournal Aerosol and Air Quality Research.

Nach Angaben der WHO hat das Coronavirus in über einem halben Jahr global zu mindestens 21 Millionen Infizierten und über 750.000 Toten geführt. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie stellen praktisch alle Länder vor große gesellschaftliche Herausforderungen. Weltweit wird daher nach Wegen gesucht, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, um drastische Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren zu vermeiden. Als Hauptübertragungsweg für das Virus galt lange der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch, wenn Infizierte durch Niesen oder Husten Sekret mit Viren abgeben und dieses von anderen Personen über die Nasenschleimhäute aufgenommen wird.

Da diese Tropfen relativ groß und schwer sind, fallen sie relativ schnell zu Boden und können nur sehr kurze Strecken in der Luft zurücklegen. Die Empfehlung einen Mindestabstand von 1,5m bis 2m einzuhalten (Social Distancing) basiert auf dieser Annahme. In letzter Zeit wurden jedoch auch COVID-19-Ausbrüche registriert, die offenbar auf die gleichzeitige Anwesenheit vieler Personen in einem Raum zurückzugehen scheinen (Chorproben, Schlachtbetriebe u.a.). Ein Sicherheitsabstand von 1,5m reicht offenbar nicht aus, wenn sich Infizierte und Gesunde über längere Zeit gemeinsam in einem Raum aufhalten.

So konnten Niederländische Forschende beispielsweise inzwischen nachweisen, dass winzige Tropfen von 5 Mikrometer Durchmesser – wie sie beim Sprechen entstehen – bis zu 9 Minuten in der Luft schweben können. Um die Ausbreitung über die in der Luft schwebenden Aerosole einzudämmen, empfehlen die Forschenden neben dem weiteren Tragen von Masken vor allem eine gute Belüftung von Innenräumen.

Ein Indisch-Deutsches Forscherteam weist jetzt auf einen weiteren Aspekt hin, der bisher wenig beachtet wurde und in der nächsten Grippesaison besonders wichtig werden könnte: die Luftfeuchtigkeit in Innenräumen. Die Physiker des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig und des CSIR-National Physical Laboratory in New Delhi untersuchen seit Jahren die physikalischen Eigenschaften von Aerosol-Partikeln, um die Auswirkungen auf die Luftqualität oder die Wolkenbildung besser abschätzen zu können.

„In der Aerosolforschung ist bereits lange bekannt, dass die Luftfeuchtigkeit eine große Rolle spielt: Je feuchter die Luft ist, umso mehr Wasser haftet an den Partikeln und umso schneller können sie wachsen. Wir waren daher neugierig: was gibt es bereits an Studien dazu?“, erklärt Dr. Ajit Ahlawat vom TROPOS.

Daher werteten sie insgesamt 10 internationalen Studien aus, die zwischen 2007 und 2020 den Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf das Überleben, die Ausbreitung und Infektion mit den Erregern der Grippe und der Coronaviren SARS-CoV-1, MERS und SARS-CoV-2 untersucht haben.

Ergebnis:

Niedrige Luftfeuchtigkeit lässt die Tröpfen mit Viren zwar schneller austrocknen, aber die Überlebensfähigkeit der Viren scheint trotzdem noch hoch zu bleiben. Das Team schlussfolgert, dass andere Prozesse für die Infektion wichtiger sind: „Liegt die relative Luftfeuchtigkeit der Raumluft unter 40 Prozent, dann nehmen die von Infizierten ausgestoßenen Partikel weniger Wasser auf, bleiben leichter, fliegen weiter durch den Raum und werden eher von Gesunden eingeatmet. Außerdem werden bei trockener Luft auch die Nasenschleimhäute in unseren Nasen trockner und durchlässiger für Viren“, fasst Ajit Ahlawat zusammen.

Bei höherer Luftfeuchtigkeit wachsen die Tröpfchen also schneller, fallen früher zu Boden und können weniger von Gesunden eingeatmet werden. „Eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 40 Prozent in öffentlichen Gebäuden und im Nahverkehr würde daher nicht nur die Auswirkungen von COVID-19 reduzieren, sondern auch die von anderen Viruserkrankungen wie beispielsweise der saisonalen Grippe. Die Behörden sollten den Faktor Luftfeuchtigkeit in künftigen Richtlinien für Innenräume einarbeiten“, fordert Dr. Sumit Kumar Mishra vom CSIR – National Physical Laboratory in New Delhi. Für Länder in kühlen Klimazonen empfehlen die Forscher eine Mindest-Luftfeuchtigkeit in Innenräumen.

Länder in tropischen und heißen Klimazonen sollten dagegen darauf achten, dass Innenräume nicht durch Klimaanlagen extrem unterkühlt werden. Wenn die Luft extrem abgekühlt wird, trocknet sie die Feuchtigkeit aus der Luft und den Partikeln. Dadurch fühlen sich die Menschen im Raum wohl, aber die trockenen Partikel bleiben jedoch auch länger in der Luft.

Aus Sicht der Forscher sollte der Innenraumluft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, um künftige Krankheitsausbrüche zu vermeiden. Der Feuchtegehalt der Raumluft ist ein wichtiger Aspekt aber nicht der Einzige. Daneben kann frische Außenluft das Übertragungsrisiko senken. Und natürlich die bereits bekannten und praktizierten Maßnahmen: Abstand halten, möglichst wenig Personen pro Raumvolumen und Masken tragen. Das geringste Infektionsrisiko herrscht nach wie vor dort, wo keine Viren in der Luft sind.

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