Als Macher und entscheidungsfreudiger Regierungschef ist Markus Söder in der Coronakrise zum Umfragekönig geworden – doch am Freitag bekam der CSU-Vorsitzende für seine Neigung zum manchmal etwas vorschnellen Handeln eine juristische Watschn: Der bayerische Verfassungsgerichtshof erklärte die im Landtagswahlkampf 2018 mit viel Tamtam eingeführte bayerische Grenzpolizei in Teilen für verfassungswidrig. Nach den Pannen bei den Coronatests ist das der zweite Rückschlag für Söder in kurzer Zeit.
Die Entscheidung zu der von den Grünen eingereichten Klage lässt sich knapp zusammenfassen: Grundsätzlich durfte Bayern die 1998 abgeschaffte eigene Grenzpolizei wieder einführen, aber mit dem konkreten Gesetz verstieß die Landesregierung gegen die Kompetenzen des nach dem Grundgesetz für den Grenzschutz zuständigen Bundes.
In der Praxis dürfte das Urteil kaum Auswirkungen haben. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht sich sogar im Grundsatz bestätigt, dass die Errichtung der Grenzpolizei einwandfrei war. Diese dürfe auch nach dem Urteil ihre Arbeit „vollumfänglich“ fortsetzen.
Die bayerischen Grünen mit ihrer Fraktionschefin Katharina Schulze sehen ihren Teilerfolg trotz der in der Praxis vermutlich nicht zu spürenden Folgen als Triumph. „Alle Befugnisse, selbst als eigenständiger bayerischer Grenzschutz tätig zu werden, wie ursprünglich von Ministerpräsident Söder angekündigt, sind null und nichtig“, sagt Schulze. Das Prestigeprojekt Söders sei „nur noch eine leere Hülle“.
Söder bietet für solche Attacken reichlich Angriffsfläche. Er löste im März 2018 den jetzigen Bundesinnenminister Horst Seehofer als Ministerpräsident ab und legtedann einen Monat später eine Regierungserklärung vor, in der er mit der Überschrift „Das Beste für Bayern“ äußerst dick auftrug. Es schien ihm damals ein Anliegen, mit einem Feuerwerk an Maßnahmen die Wähler für sich einzunehmen.
Gleich beim ersten Punkt der damaligen Regierungserklärung widmete sich Söder der Grenzpolizei und ging rhetorisch in die Vollen. „Die bayerische Grenzpolizei ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in Deutschland“, sagte Söder und fügte hinzu: „Wenn alle so entschlossen wären wie wir, wäre Deutschland sicherer.“
Die Attitüde, Bayern besonders herauszuheben, zählt zur DNA der CSU. Und der seit gut einem Vierteljahrhundert als Berufspolitiker tätige Söder verinnerlichte dies auch persönlich – wie sich nicht erst jetzt in dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs zeigt auch mit der Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen.
Denn wie damals kurz nach der Wahl war es auch Söder in der Coronakrise schon mehrmals ein Anliegen, vorweg zu preschen. Als erstes Bundesland führte Bayern eine Ausgangsbeschränkung ein, als erstes Bundesland führte es kostenlose Coronatests für alle ein und ließ dann auch Testzentren an den Grenzen sowie an Flughäfen und Bahnhöfen errichten.
Doch dort kam es zu der peinlichen Panne der nicht übermittelten Testergebnisse tausender Coronatests. Auch bei dieser Panne waren die Angriffe auf Söder scharf. Ihm sei es nur darum gegangen, „sich als Klassenprimus im Krisenmanagement darzustellen“, sagte etwa Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Der CSU-Chef habe zu viel versprochen.
Womöglich wären die Attacken auf den bayerischen Ministerpräsidenten zurückhaltender ausgefallen, wenn er nicht in den Umfragen der Favorit für die Kanzlerkandidatur der Union wäre. So bekommt Söder gerade einen Vorgeschmack, wie scharf die Attacken werden, falls er sich doch zur Kanzlerkandidatur bereit erklären sollte.