WhatsApp-Steuer entfachte Protestbewegung im Libanon

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Symbolbild: WhatsApp

Seit Oktober gehen die Menschen im Libanon gegen die politische Führung auf die Straße. Die Wut über Korruption und Inkompetenz kocht infolge der verheerenden Explosionen in Beirut nun erneut hoch. Die Regierung kündigte zwar ihren Rücktritt an, doch die Demonstranten fordern eine grundlegende Erneuerung. Die Nachrichtenagentur AFP zeichnet die zehn Monate des Protests nach.

17. Oktober 2019

Die Regierung kündigt eine Steuer auf Telefonate mit WhatsApp an. Die Aussicht auf eine weitere Steuer angesichts der desolaten Wirtschaftslage lässt die Wut der Libanesen explodieren. Sie gehen zu Tausenden auf die Straße, errichten Blockaden und fordern den Rücktritt der Regierung. Auch als die Regierung die Steuerpläne fallen lässt, gehen die Proteste weiter. Die Polizei setzt Tränengas ein und nimmt Dutzende fest.

19. Oktober 2019

Zehntausende versammeln sich in Beirut, Tripoli, Tyrus, Baalbek und blockieren Straßen. Die Demonstranten verlangen die vollständige Erneuerung der Elite, die seit Jahrzehnten an der Macht ist und als korrupt und inkompetent gilt. Einen Tag später sind bereits Hunderttausende auf der Straße.

29. Oktober 2019

Premierminister Saad Hariri und seine Regierung treten zurück. Der Protest geht mit Sitzblockaden auf den Hauptverkehrsachsen in Beirut weiter. In den folgenden Wochen verschärft sich die Wirtschaftskrise. Massenweise werden Menschen entlassen und das libanesisches Pfund wird abgewertet.

19. Dezember 2019

Der frühere Bildungsminister Hasan Diab wird zum neuen Regierungschef ernannt. Die Ernennung löst neue Proteste aus, da die schiitische Hisbollah-Miliz und ihre Verbündeten Diab unterstützen.

11. Januar 2020

Nach Wochen relativer Ruhe gibt es wieder neue Proteste, die in den folgenden Tagen in Gewalt umschlagen. Mehrere Banken werden verwüstet und mehr als 500 Menschen verletzt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beschuldigt die Polizei, mit Gummigeschossen auf die Augen der Demonstranten gezielt zu haben.

21. Januar 2020

Libanon bekommt eine neue Regierung. Sie besteht aus einem einzigen Lager, der Hisbollah und ihren Verbündeten. Trotz massiven Protests gegen das neue Kabinett spricht ihm das Parlament am 11. Februar sein Vertrauen aus. Mehr als 370 Menschen werden bei Demonstrationen verletzt.

7. März 2020

Das mit 92 Milliarden Dollar (78 Milliarden Euro) verschuldete Land – die Summe entspricht 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – kann eine fällige Rate von 1,2 Milliarden Dollar nicht zurückzahlen.

30. April 2020

Die Regierung kündigt ein Konjunkturpaket an und bittet den Internationalen Währungsfonds um Hilfe. Die Verhandlungen geraten jedoch bald ins Stocken.

4. August 2020

Eine verheerende Explosion im Hafen erschüttert Beirut. Mehr als 170 Menschen sterben, mehr als 6000 sind verletzt und Hunderttausende obdachlos. Die Katastrophe lässt die Proteste wieder aufflammen, die durch die Corona-Pandemie zum Erliegen gekommen waren.

8. August 2020

Tausende protestieren gegen die Regierung, die sie für die Katastrophe verantwortlich machen. Denn nach Regierungsangaben explodierten 2750 Tonnen Ammoniumnitrat, das jahrelang ungesichert im Hafen von Beirut gelagert worden war. Die Demonstranten besetzen kurzzeitig Ministerien, die Sicherheitskräfte gehen mit Tränengas und Gummigeschossen gegen sie vor. Am folgenden Tag kommt es zu weiteren Zusammenstößen im Stadtzentrum.

10. August 2020

Regierungschef Diab verkündet den Rücktritt seiner Regierung.

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