Angesichts des Rechtsextremismusskandals bei der nordrhein-westfälischen Polizei hat der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, vor einem Vertrauensverlust für die Polizei gewarnt. „Das sind Vorfälle, die das Vertrauen in die Polizei erheblich erschüttern“, sagte Münch den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Donnerstag. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte eine schonungslose Aufklärung des Skandals zu.
BKA-Präsident Münch forderte, die gesamte Polizei müsse „bis in die letzte Dienststelle“ alles tun, „um Vertrauen zu halten oder zurück zu gewinnen“. Die Polizeibehörden müssten mit aller Deutlichkeit immer wieder sagen, dass rechtsextremes Gedankengut und Handeln in der Polizei keinen Platz hätten und „mit aller Konsequenz und unter Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel verfolgt“ würden.
NRW-Innenminister Reul versicherte im Landtag in Düsseldorf: „Wir werden das aufarbeiten, radikal und bis ins kleinste Detail.“ Dabei äußerte er die Sorge, dass der Fall noch größere Ausmaße annehmen könne – „das kann sich weiter entwickeln“.
Die Zahl der Verdächtigen erhöhte sich laut Reul mittlerweile um eine Beamtin auf nun 30 Polizisten. Alle 30 seien vom Dienst suspendiert, gegen 14 liefen Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst, gegen zwölf wird strafrechtlich ermittelt. Mit 26 Beamten habe der größte Teil der unter Verdacht stehenden Beamten im zum Polizeipräsidium Essen gehörenden Mülheim an der Ruhr Dienst geleistet.
Bei den Ermittlungen wurden laut Reul zahlreiche Beweismittel beschlagnahmt, die nun ausgewertet werden sollen. Darunter seien 43 Mobiltelefone, 20 Festplatten und 20 Laptops. Reul äußerte sich schockiert über die Inhalte der von den Beschuldigten verbreiteten rechtsextremen Inhalte.
„Was ich da gestern gesehen habe, hat eine Dimension in einer Abscheulichkeit, die ich nicht für möglich gehalten habe“, sagte Reul und räumte ein, Fragen zu verstehen, wie so etwas im Bereich der Polizei möglich sei. Es sei bereits im Jahr 2012 mit der Hetze losgegangen und in all den Jahren danach nicht aufgefallen. „Das macht schon sehr nachdenklich.“
In den vergangenen Monaten waren bereits in anderen Bundesländern Rechtsextremismusvorwürfe gegen Polizisten aufgekommen – etwa in Hessen im Zusammenhang mit an Politikerinnen und andere Frauen des öffentlichen Lebens versandten Morddrohungen.
Der Vorsitzende des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, forderte alle Landesinnenminister auf, Maßnahmen zu ergreifen. „Ich kann das Wegducken der Innenminister nicht verstehen“, sagte er im Norddeutschen Rundfunk. Von Einzelfällen könne schon lange nicht mehr gesprochen werden: „Wer das noch sagt, dem ist nicht mehr zu helfen.“
Die Linke fordert als ersten Schritt eine unabhängige Beschwerdestelle für Polizeigewalt. Es könne nicht nur um die Aufklärung der jeweiligen Fälle gehen, „wir müssen deutlich darüber hinaus gehen“, sagte Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler der Nachrichtenagentur AFP. „30 Einzelfälle – das kann es so nicht geben“, fügte er mit Blick auf den jüngsten Polizeiskandal hinzu.
Die FDP forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, eine Studie zu Rassismus bei der Polizei in Auftrag zu geben. Es werde eine bessere Sicherheitsüberprüfung neuer Bewerber und ein „Radarsystem“ gebraucht, um rechtsextremes Gedankengut in der Polizei zu erfassen, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae. Der erste Schritt dazu sei eine „Bestandsaufnahme“. Seehofer müsse daher „endlich eine unabhängige Studie zu Rassismus bei der Polizei in Auftrag geben“.