Corona-Immunitätsausweis: Spahn will Pläne vorerst nicht weiterverfolgen

Jens Spahn - Bild: Olaf Kosinsky / Wikipedia

Der Deutsche Ethikrat rät derzeit von der Einführung eines Corona-Immunitätsausweises ab. Das Expertengremium begründete sein Votum in einer am Dienstag in Berlin veröffentlichten Stellungnahmen mit den „erheblichen  Unsicherheiten“ über die Immunität nach einer überstandenen Infektion mit dem Coronavirus und die Aussagekraft von Antikörpertests. Die Empfehlung des Ethikrats fiel einstimmig.

Derzeit gehen Experten zwar davon aus, dass genesene Patienten nur ein geringes Risiko haben, ein zweites Mal an Covid-19 zu erkranken. Bislang ist aber noch unklar, wie lange die Immunität bei Menschen mit überstandener Sars-CoV-2-Infektion anhält, wie robust diese ist und ob es von Mensch zu Mensch Unterschiede gibt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte einen solchen Immunitätsausweis ursprünglich geplant. Falls wissenschaftlich bewiesen ist, dass nach einer Coronavirus-Infektion Immunität besteht und ein Genesener niemanden mehr anstecken kann, sollten sich die Betroffenen diese Immunität bescheinigen lassen können – analog zum Impfpass.

Wegen des Widerstands der SPD legte Spahn sein Vorhaben im Mai allerdings zunächst auf Eis. Zugleich bat er den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme. Spahn will seine Pläne nun vorerst nicht weiter verfolgen, wie sein Ministerium mitteilte. Die Stellungnahme werde ausgewertet und bei weiteren Überlegungen berücksichtigt. 

Der Ethikrat sieht „angesichts erheblicher Unsicherheiten“ hinsichtlich einer Immunität und Infektiosität sowie der Aussagekraft von Antikörpertests gegen Sars-CoV-2 im Moment keinerlei Grundlage für Immunitätsbescheinigungen. Stattdessen solle auf andere Maßnahmen für einen effektiven Infektionsschutz gesetzt werden.

Zudem fordern die Experten, frei verkäufliche Tests zum Nachweis einer Immunität gegen Corona „aufgrund ihrer zweifelhaften Verlässlichkeit und des daraus folgenden Gefährdungspotenzials“ strenger zu regulieren. Nicht bei allen Genesenen etwa sind Antikörper nachweisbar, auch gibt es in einigen Fälle falsche Ergebnisse.

Für den Fall, dass eine Immunität gegen Sars-Cov-2 künftig verlässlich nachweisbar sein sollte, ist der Ethikrat geteilter Meinung über den Sinn eines Immunitätsausweises. Die eine Hälfte hält dann unter bestimmten Voraussetzungen eine stufenweise sowie auf bestimmte Bereiche bezogene Einführung einer Immunitätsbescheinigung für sinnvoll. 

Dies könnte beispielsweise Menschen in Altenheimen, Angehörige von Pflegebedürftigen oder bestimmte Berufsgruppen wie Pfleger oder Polizisten betreffen, sagte Ethikratsmitglied Carl-Friedrich Gethmann. Er wies zugleich auf einen möglichen Missbrauch hin, etwa wenn Menschen sich bewusst ansteckten, um immun zu werden.

Die andere Hälfte der Ratsmitglieder lehnt einen solchen staatlich kontrollierten Immunitätsausweis in jedem Fall aus praktischen, ethischen und rechtlichen Gründen ab – selbst wenn eine Immunität verlässlich nachweisbar wäre. Eine solche Bescheinigung wäre ein „Instrument mit beschränktem Nutzen sowie hohem Risiko und Nebenwirkungen“, sagte Ratsmitglied Judith Simon.

Die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx stellte zugleich klar, dass auch eine Immunität zu keiner Zeit bedeute, „dass sich die Leute die Maske runterreißen dürfen oder im Krankenhaus auf Schutzkleidung verzichten könnten“.

Die SPD sieht sich in ihrer Position bestätigt. „Die Debatte um den Immunitätsausweis war und ist im Moment eine Phantomdebatte“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Bärbel Bas. 

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer wertete das Votum des Ethikrats als „eine schallende Ohrfeige“ für Gesundheitsminister Spahn. „Der Immunitätsausweis gehört in den Papierkorb.“ Die Grünen erklärten, der „Schnellschuss“ von Spahn habe riskiert, die Solidarität in der Pandemie zu untergraben. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Achim Kessler, warnte, ein Immunitätsausweis würde „die Entsolidarisierung befeuern“.

Der Deutsche Ethikrat berät über zentrale ethische Fragen und gibt regelmäßig Stellungnahmen ab. Die Mitglieder werden je zur Hälfte auf Vorschlag des Bundestags und der Bundesregierung berufen. Darunter sind etliche Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen.

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