Flammeninferno in Griechenland: „Moria gibt es nicht mehr“

Bild: glomex

Ein Flammeninferno hat Griechenlands größtes Flüchtlingslager in Schutt und Asche gelegt. In Panik flohen die mehr als 12.000 Insassen in der Nacht aus dem Lager Moria auf Lesbos, als plötzlich an mehreren Stellen des Camps Flammen aufloderten. In kürzester Zeit sprang das Feuer zwischen den Zelten und Wohncontainern über und breitete sich auf das gesamte Lager aus. Am Morgen danach waren nur noch rauchende Trümmer zu sehen. 

Dutzende Menschen streifen auf der Suche nach ihren Habseligkeiten durch die schwelenden Überreste. „Moria gibt es nicht mehr“, sagt der Vize-Gouverneur der Insel, Aris Hatzikomninos. „Alles stand in Flammen, und wir konnten eine Massenflucht von Menschen beobachten, die ziel- und hilflos diese brennende Hölle zu verlassen versuchten“, berichtet Marco Sandrone, der für Ärzte ohne Grenzen in Moria arbeitete.

Bis zum Nachmittag wird nichts über Todesopfer bekannt, mehrere Menschen erlitten Rauchvergiftungen. Da das Feuer an mehreren Stellen ausbrach, wird Brandstiftung als Ursache vermutet. Der Vizechef des Zivilschutzes, Michalis Fratzeskos, sagt, Brandstifter hätten „sich starke Winde zunutze gemacht“ und die Zelte in Brand gesteckt. „Es war vorsätzlich. Die Zelte waren leer“, sagt Fratzeskos dem staatlichen Fernsehsender ERT. Eine offizielle Bestätigung für diese Vermutung gab es nicht.

Die Lage in dem völlig überfüllten Camp war extrem angespannt. Wenige Stunden vor dem Brand meldete das griechische Migrationsministerium 35 Corona-Infektionen, am Dienstagabend kam es dann nach Angaben der Nachrichtenagentur ANA zu Protesten von Bewohnern, die sich gegen die Quarantäne-Maßnahmen wehrten. 

Die Bewohner von Moria, das über die Jahre ein Symbol für das Flüchtlingselend wurde, schätzten ihre Lage schon lange als aussichtslos ein. Sexuelle Übergriffe, Drogenhandel und Gewalt waren nach Aussagen der Insassen Alltag. Kinder verschwanden, Menschen wurden erstochen oder nahmen sich das Leben. „Wir halten uns die Ohren zu, um die ganzen Schreie und Prügeleien nicht zu hören“, berichtete im August Moniré, die aus Afghanistan geflohen und in Moria gestrandet war. „Ich habe Angst, mein Zelt zu verlassen, weil es immer wieder Vergewaltigungen gibt.“

Moria war seit Jahren völlig überfüllt. In dem für rund 2800 Menschen ausgelegten Lager lebten zuletzt mehr als 12.700 Asylsuchende unter schwierigsten Bedingungen. NGOs kritisierten immer wieder die katastrophalen Zustände und sprachen von einer „Schande für die europäischen Werte“. Die Corona-Infektionen waren schließlich der Funke, der die Situation explodieren ließ. 

Der Lagerbewohner Raid Al Obeed aus Syrien, der in Moria ein Corona-Selbsthilfe-Team mit Unterstützung der Hilfsorganisation medico international gegründet hatte, sagte: „Immer wieder haben wir gesagt, dass etwas geschehen muss.“ Doch die EU habe Moria alleine gelassen. Nach den ersten Coronainfektionen seien „die Angst und die Wut“ immer weiter gestiegen.

Völlig unklar ist, was mit den tausenden Männern, Frauen und Kindern nun geschehen soll, deren Behausungen in Rauch aufgegangen ist. Bei ihrer Ankunft auf der Ägäis-Insel vor mehreren Jahren waren Flüchtlinge zunächst noch freundlich empfangen worden, später kippte aber die Stimmung unter den Einheimischen und schlug teils in Feindseligkeit um.

Selbst in der Brandnacht stießen die Lagerbewohner auf Ablehnung. Zu Fuß versuchten sie, sich in Sicherheit zu bringen. Aber Einwohner hätten sie daran gehindert, ein nahegelegenes Dorf zu betreten, schrieb die Hilfsorganisation Stand by Me Lesvos auf Twitter. Nun würden Tausende über die Insel irren, berichtete medico international. Die griechische Regierung verhängte den Ausnahmezustand über Lesbos – und schickte zusätzliche Bereitschaftspolizisten auf die Insel.

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