Rund zwei Wochen nach dem Giftanschlag auf Alexej Nawalny haben Berliner Ärzte den russischen Oppositionspolitiker aus dem künstlichen Koma geholt. Nawalnys Gesundheitszustand habe sich verbessert, erklärte die Universitätsklinik Charité am Montag. Vorwürfe, hinter dem Anschlag stecke die russische Regierung, wies der Kreml als „absurd“ zurück.
Nawalny wird seit dem 22. August in der Charité behandelt, nachdem er zwei Tage zuvor während eines Flugs in Russland zusammengebrochen war. Nach Angaben der Uniklinik wird er nun schrittweise von der maschinellen Beatmung entwöhnt. Nawalny reagiert demnach bereits auf Ansprache. Langzeitfolgen der schweren Vergiftung schlossen die Ärzte jedoch weiterhin nicht aus.
Die Bundesregierung hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass Nawalny „zweifelsfrei“ mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sei. Das Gift war in den 1970er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern entwickelt worden. Aus Sicht von Nawalnys Unterstützern deutet der Einsatz des Nervengifts darauf hin, dass nur der russische Staat verantwortlich sein kann.
Moskau weist jedoch jede Schuld am Gesundheitszustand des prominenten Kritikers von Staatschef Wladimir Putin von sich. Putins Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Vorwürfe am Montag als „absurd“.
Nawalnys Vergiftung führte zu schweren diplomatischen Spannungen zwischen Berlin und Moskau. Moskau wirft Berlin seit Tagen vor, Ermittlungen zu dem Giftanschlag zu verschleppen und auf ein Rechtshilfeersuchen der russischen Staatsanwaltschaft nicht zu reagieren. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sprach von einem möglichen „doppelten Spiel“ Deutschlands.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) wies die Vorwürfe zurück. Wenn Moskau keine Beiträge zur Aufklärung liefere oder „weiter solche Nebelkerzen gestartet werden“, sei dies ein weiteres Indiz dafür, „dass man etwas zu verbergen hat“, sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.
Die Debatte um mögliche Strafmaßnahmen gegen Russland wegen des Nawalny-Anschlags konzentriert sich in Deutschland zunehmend auf die Pipeline Nord Stream 2. Die Forderung nach einem Baustopp bei der Röhre, durch die russisches Gas nach Deutschland geliefert werden soll, wird seit Tagen kontrovers diskutiert.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt ebenso wie Maas Konsequenzen für die umstrittene Gaspipeline nicht mehr aus. Die Kanzlerin sei der Ansicht, „dass es falsch ist, etwas auszuschließen“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Momentan sei es aber noch zu früh, die Frage nach Konsequenzen zu beantworten.
Seibert wies darauf hin, dass derzeit auf europäischer Ebene an einer gemeinsamen Reaktion gearbeitet werde. Nun sei es zunächst Aufgabe Russlands, sich zu dem Vorfall zu erklären, bekräftigte auch Merkels Sprecher: Dies sei die „klare Erwartung“ der Bundesregierung an Moskau.