Moskau prangert „Desinformationskampagne“ im Fall Nawalny an

Kreml, Russland
Kreml, Russland

Im Fall des vergifteten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny hat Russland eine „Desinformationskampagne“ angeprangert, die als Vorwand für neue Sanktionen gegen Moskau dienen solle. „Die Initiatoren sorgen sich nicht um die Gesundheit Nawalnys (…), sondern wollen Sanktionen verhängen“, erklärte das russische Außenministerium am Mittwoch, nachdem auch die G7-Staaten den Druck auf den Kreml erhöht hatten. Laut Nawalnys Anwalt Wjatscheslaw Gimadi weigert sich Moskau, Ermittlungen im Fall des Kreml-Kritikers anzustoßen.

Die G7-Staaten hatten am Dienstagabend schnellstmögliche Aufklärung von Russland verlangt. Moskau müsse „dringend“ die Täter hinter der „bestätigten Vergiftung“ der Justiz übergeben, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Außenminister der G7-Staaten. Russland müsse „volle Transparenz schaffen, wer verantwortlich ist“. Jede Nutzung chemischer Waffen sei „inakzeptabel“, betonten die Minister.

Nach Angaben der Bundesregierung ist „zweifelsfrei“ erwiesen, dass der 44-jährige Gegner von Staatschef Wladimir Putin mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Moskau weist alle Vorwürfe in diesem Zusammenhang als „absurd“ zurück.

Das russische Außenministerium warf Deutschland in seiner Erklärung am Mittwoch erneut vor, die Ergebnisse der Untersuchung absichtlich zurückzuhalten. „Die deutsche Seite verlangsamt den Prozess leider“, so dass „die Hysterie um diese Affäre weiter zunimmt“. Moskau bestehe „weiterhin darauf, dass die deutsche Seite uns die Informationen über die medizinische Untersuchung von Herrn Nawalny, einschließlich der Ergebnisse seiner biochemischen Analysen, zur Verfügung stellt“. Am Mittwoch wird der deutsche Botschafter in Moskau zu einem Gespräch im Außenministerium erwartet.

Nawalnys Anwalt Gimadi erhobt unterdessen neue Vorwürfe gegen Russland. Die zuständige Gerichtsbarkeit in Moskau würde Ermittlungen im Fall des Kreml-Kritikers verhindern, sagte Gimadi dem SWR. „Aktuell werden keine Ermittlungen geführt, obwohl die in solchen Situationen gesetzlich vorgeschrieben sind.“ Gimadi führt das Anwaltsteam von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung FBK.

Laut Gimadi hat das Anwaltsteam direkt nach der Vergiftung Nawalnys Anzeige erstattet. Das zuständige Ermittlungskomitee hätte sich dann binnen drei Tagen für eine Ermittlung oder dagegen entscheiden müssen. Tatsächlich sei jedoch gar keine Reaktion erfolgt. Seitdem habe er weitere Klagen bei höheren Instanzen zur Aufnahme von Ermittlungen eingeleitet. 

In der ersten Instanz sei dies abgelehnt worden, sagte Gimadi. Bei einer Ablehnung in der zweiten Instanz kündigte Nawalnys Anwalt an, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden. Da Russland die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert hat, ist es verpflichtet, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen.

Der prominente russische Oppositionspolitiker wird seit dem 22. August in der Berliner Charité behandelt, nachdem er zwei Tage zuvor während eines Fluges in Russland zusammengebrochen war. Inzwischen konnte er von den Ärzten aus dem künstlichen Koma geholt werden und ist ansprechbar. 

Anzeige



Anzeige

Avatar-Foto
Über Redaktion des Nürnberger Blatt 44940 Artikel
Hier schreiben und kuratieren die Redakteure der Redaktion des Nürnberger Blatt