Brillant, scharfzüngig und immer kampfbereit: Mit Ruth Bader Ginsburg ist die bekannteste Juristin der USA und Heldin vieler Menschen gestorben. In ihren 27 Jahren am Obersten Gerichtshof drückte sie vielen wegweisenden Entscheidungen ihren Stempel auf. „RBG“ wurde zum Kult und zur Hassfigur. Ihr Leben wurde zweimal verfilmt, es gibt T-Shirts und Tassen mit ihrem Konterfei.
In die Wiege gelegt worden war ihr der Ruhm allerdings nicht: Geboren am 15. März 1933 in eine jüdische Familie, wurde sie vor allem von ihrer Mutter in ihren Zielen unterstützt: „Sie sagte mir, ich solle eine ‚Lady‘ werden. Und für sie hieß das, ich selbst und unabhängig zu sein.“ Um das zu werden, begann die junge Frau zu studieren – damals keineswegs selbstverständlich.
An der Universität von Cornell heiratete sie den Kommilitonen Martin Ginsburg, mit dem sie später zwei Kinder bekam. „Das wirklich Bemerkenswerte an Marty ist, dass er es liebt, dass ich ein Gehirn habe“, sagte sie später einmal über ihren Mann.
1956 begann Ginsburg an der ruhmreichen Harvard-Universität zu studieren, dabei war sie eine von neun Frauen unter rund 500 Jura-Studenten, ihren Abschluss machte sie in Columbia. Doch trotz ihres erfolgreichen Abschlusses fand Ginsburg in New Yorker Kanzleien keinen Job. „Ich hatte drei Dinge, die gegen mich sprachen“, analysierte sie später aus der Sicht ihrer damaligen Gegenüber: „Erstens, ich war jüdisch. Zweitens, ich war eine Frau. Aber das Totschlagargument war, dass ich Mutter eines vierjährigen Kindes war.“
Als Konsequenz ging Ginsburg in die Lehre und unterrichtete als eine von wenigen Frauen an den Universitäten Rutgers und Columbia. Zudem wurde sie eine leidenschaftliche Verfechterin der Frauenrechte. Zwischen 1972 und 1978 plädierte sie im Auftrag der Bürgerrechtsorganisation ACLU in sechs Gleichberechtigungs-Fällen vor dem Obersten Gerichtshof – fünfmal trug sie den Sieg davon.
1993 kehrte sie an den Ort ihrer früheren Siege zurück – diesmal als Richterin. Vorgeschlagen vom damaligen US-Präsidenten Bill Clinton wurde sie im Senat mit überwältigender Mehrheit bestätigt und zog als zweite Frau in den Supreme Court ein.
Stolz auf ihre Unabhängigkeit schreckte Ginsburg nicht vor Fehden mit ihren Kollegen zurück. Ihr prägnantes „I dissent“ (Ich widerspreche) wurde zu einer Art Markenzeichen, sie tat sich als Verfechterin der Rechte von Frauen, Behinderten, Migranten und sexuellen Minderheiten hervor. Und auch durch ihr Äußeres stach sie – obwohl gerade einmal 1,54 Meter groß – hervor: Die Liebhaberin von markanten Brillen, riesigen Perlenketten und Spitzenhandschuhen trug als einzige am Supreme Court eine Krause über der Richterrobe – und war so immer sofort zu erkennen.
Doch Ginsburg kämpfte nicht nur um die Auslegung des Rechts: Im Laufe der Jahre erkrankte sie immer wieder an Krebs. 2010 starb ihr Ehemann – am Tag nach der Beisetzung war sie wieder am Gericht auf dem Washingtoner Kapitol. Bei öffentlichen Anhörungen saß sie in den folgenden Jahren zunehmend mehr versunken in ihrem Stuhl – doch mit zwar schwacher Stimme stellte sie noch immer die oft entscheidenden Fragen.
Diese Stimme ist nun endgültig verstummt, Ruth Bader Ginsburg starb am Freitag mit 87 Jahren an den Folgen von Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Unsere Nation trauert heute um eine Titanin des Rechts“, würdigte selbst Donald Trump die Verstorbene, mit der er ständig über Kreuz lag. Der Präsident will unbedingt noch vor der Wahl im November einen Nachfolger ernennen und hat bereits in der vergangenen Woche eine Liste möglicher Kandidaten vorgelegt. Sie alle sind zutiefst konservativ – und damit das blanke Gegenteil der Ikone „RBG“.