Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) rechnet für das Jahr 2020 mit höchstens 100.000 Asylsuchenden in Deutschland. „Wir werden nach jetzigem Stand in diesem Jahr weniger als 100.000 Migranten aufnehmen“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Dies sei auch ein Grund, warum die Aufnahme von rund 1500 Flüchtlingen aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria vertretbar sei.
Der Innenminister hofft zudem auf eine Einigung innerhalb der EU über eine Reform der Asylpolitik bis Jahresende. „Ich erwarte von der EU-Kommission einen handfesten Vorschlag, bei dem alle Register gezogen werden, damit wir bis Ende des Jahres eine politische Verständigung über die europäische Asylpolitik haben“, sagte Seehofer. „Ich selbst werde alles tun, um eine Lösung zu erreichen.“
Ein Grund, weshalb ein solches Konzept noch immer nicht vorliege, seien auch die Debatten in Deutschland, erklärte der Minister. „Viele unserer Nachbarn sagen mir: Warum sollen wir uns beteiligen, wenn die Deutschen immer wieder als Moral-Weltmeister auftreten und uns damit unter Druck setzen“, sagte Seehofer. „Da kann man ihnen schwer widersprechen. Wir sollten nicht als Vormund Europas auftreten, sondern als Partner.“
Seehofer zeigte Verständnis dafür, dass andere EU-Staaten keine Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufnehmen wollen: „Manche fühlen sich an 2015 erinnert, als Deutschland die Grenzen öffnete und dann fragte, wer noch Migranten aufnimmt.“ Auch dieses Mal habe Deutschland wieder allein entschieden und dann Mitstreiter gesucht. „Diese Reihenfolge schätzen viele EU-Staaten nicht. Wenn dann noch die Moral-Keule über all diejenigen geschwungen wird, die nicht aufnehmen, tut man sich keinen Gefallen.“
Die EU-Kommission will am kommenden Mittwoch einen Vorschlag für einen „neuen Pakt zu Migration“ vorlegen. Alle Versuche einer Reform des EU-Asylsystems scheiterten bisher an der Frage der Verteilung von Flüchtlingen. Insbesondere osteuropäische Regierungen lehnen die Aufnahme von Migranten kategorisch ab.