Vielfalt ist in deutschen Vorstandsgremien einer Studie zufolge noch immer die Ausnahme. „Die Chefetagen sind so homogen wie eh und je“, sagte die Unternehmerin Victoria Wagner dem „Handelsblatt“ vom Montag. Ihre Initiative „Beyond Gender Agenda“ analysierte gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Internationales Management der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg die Geschäftsberichte von 160 börsennotierten Unternehmen im Hinblick auf die Vorstandszusammensetzung nach Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund, sexueller Orientierung und Behinderung.
Zudem wurden die Mitglieder der Geschäftsführung und der Personalführung anonym befragt, wie sie Diversität in ihrem Umfeld wahrnehmen. „Diversität ist in deutschen Konzernen bisher ein reines Lippenbekenntnis“, kritisierte Wagner. Es gebe zwar Bekenntnisse zu mehr Vielfalt und auch vielerorts schon Budgets – ein gezieltes Diversitätsmanagement gebe es jedoch selten. „Der wirtschaftliche Nutzen von Diversität wird bisher nicht erkannt.“
Die Studie erschwert habe die mangelnde Datengrundlage, sagte sie dem „Handelsblatt“. Diversität werde häufig noch auf einzelne Kategorien wie das Geschlecht und die Herkunft reduziert und nicht umfassend betrachtet. Zu sexueller Orientierung und Behinderung gebe es häufig gar keine Informationen. Vielen Unternehmen fehle ein Überblick über die eigene Diversität. „So kann das Potenzial nicht gehoben werden und es können auch keine gezielten Maßnahmen zur Förderung von Diversität und zur Etablierung eines inklusiven Arbeitsumfeldes ergriffen werden.“
Der Studie zufolge beträgt der durchschnittliche Anteil an Frauen in den Vorständen der 160 in Dax 30, MDax und SDax gelisteten Unternehmen nur zehn Prozent. Zwei Drittel der Firmen haben gar keine Frau im obersten Managementgremium. Der durchschnittliche Anteil von Vorstandsmitgliedern mit Wurzeln außerhalb des deutschsprachigen Raums (Deutschland, Österreich, Schweiz) liegt demnach bei rund 25 Prozent.
Das niedrige Diversitätsniveau der Vorstände zeigt sich demnach auch in der Kategorie Alter. Der durchschnittliche Vorstand ist 53 Jahre alt. Bei der Hälfte der untersuchten Vorstände betrage die Altersspanne der betrachteten Mitglieder weniger als zehn Jahre. „Ein Austausch der Perspektiven von verschiedenen Generationen kann so auf der Vorstandsebene nicht stattfinden“, kritisierte Susanne Schmidt, Professorin für Internationales Management an der Universität Magdeburg.