Studie: Pestizide aus der Landwirtschaft verbreiten sich kilometerweit durch die Luft

Symbolbild: Traktor beim Felder mit Pestiziden gießen
Symbolbild: Traktor beim Felder mit Pestiziden gießen

In der Landwirtschaft verwendete Pestizide und deren Abbauprodukte verbreiten sich einer Studie zufolge kilometerweit durch die Luft. Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München gaben Messungen an 163 Standorten in Deutschland in Auftrag – an rund drei Viertel davon wurden demnach jeweils mindestens fünf und bis zu 34 Pestizidwirkstoffe sowie deren Abbauprodukte gefunden. Der Herstellerverband IVA erklärte am Dienstag, die Funde seien „selten und unbedenklich“. 

Für die Studie wurden nach Angaben der Auftraggeber von März bis November 2019 Pestizide in der Luft gemessen. Untersucht wurden Standorte im Umkreis von weniger als 100 bis hin zu mehr als 1000 Metern Entfernung von potentiellen Quellen; in Städten und auf dem Land, in konventionellen und Bio-Agrarlandschaften sowie in unterschiedlichen Schutzgebieten. Die Daten seien mit Hilfe neu entwickelter Passivsammelgeräte, aus Filtermatten in Be- und Entlüftungsanlagen von Gebäuden sowie durch die Analyse von Bienenstöcken und Baumrinden erhoben worden. Landwirte, Imker und Privatpersonen hätten zudem Proben eingesandt. 

Das Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat sei in allen Regionen Deutschlands und weit abseits von potenziellen Ursprungs-Äckern nachgewiesen worden, erklärten die Auftraggeber. Selbst auf der Spitze des Brockens im Nationalpark Harz seien zwölf Pestizide nachweisbar. Insgesamt hätten sich deutschlandweit 138 Stoffe gefunden, von denen 30 Prozent zum jeweiligen Messzeitpunkt nicht mehr oder noch nie zugelassen gewesen seien.

Karl Bär, Agrarexperte im Umweltinstitut München, nannte die Ergebnisse der Studie „schockierend“. Pestizide landeten „in schützenswerten Naturräumen, auf Bio-Äckern und in unserer Atemluft“. Boris Frank, Vorsitzender vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, kritisierte insbesondere, dass biologisch bewirtschaftete Äcker kontaminiert würden. „Ganze Ernten gehen so verloren.“ 

Beide forderten ein sofortiges Verbot der fünf Pestizide, die sich am meisten verbreiteten, darunter Glyphosat. Bis 2035 müsse die EU-Kommission schrittweise alle chemisch-synthetischen Pestizide verbieten. Öko-Landwirte müssten bei der Kontamination ihrer Ernte über einen Schadensausgleichsfonds entschädigt werden – den Fonds füllen sollen demnach zehn Prozent der deutschen Umsätze der Pestizidhersteller. 

Der Industrieverband Agrar (IVA), der die Interessen der agrochemischen Industrie vertritt, erklärte, die Funde seien „offenbar selten“ und die dabei nachgewiesenen Mengen „so minimal, dass sie für Mensch und Umwelt unbedenklich sind“. Hier werde ein Thema „künstlich aufgebauscht“, kritisierte IVA-Hauptgeschäftsführer Frank Gemmer; die Veröffentlichung sei „alarmistisch“. Heute lasse sich jeder beliebige Stoff im Spurenbereich nachweisen. 

Gemmer beklagte, dass der Dialog mit der Bio-Branche „seit Jahren verweigert“ werde. Die Hersteller-Firmen appellierten schon länger, die Fälle, bei denen Landwirte ihr Erntegut nicht mehr vermarkten konnten, klar zu benennen. „Bisher haben wir keine konsistenten Hinweise aus der Bio-Branche erhalten.“

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