EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat die Regierung Großbritanniens aufgerufen, zu ihrem Wort zu stehen. „Ich vertraue darauf, dass die britische Regierung das Austrittsabkommen umsetzt“, erklärte von der Leyen am Montag auf Twitter. Die Einhaltung des Vertrages sei „eine völkerrechtliche Verpflichtung und Voraussetzung für jede künftige Partnerschaft“.
Vor einer neuen Verhandlungsrunde ab Dienstag zwischen der EU und Großbritannien über die Beziehungen nach dem Brexit gibt es massive Spannungen. Der britische Premierminister Boris Johnson will laut einem Zeitungsbericht die mit dem Brexit eingegangenen Zusagen zum Status von Nordirland unterlaufen. Für Brüssel wäre dies ein Vertragsbruch.
„Das Protokoll über Irland/Nordirland ist wesentlich, um Frieden und Stabilität auf der Insel und die Integrität des Binnenmarktes zu schützen“, erklärte von der Leyen. Zuvor hatte sich der EU-Chefunterhändler Michel Barnier bereits verärgert über die Signale aus London gezeigt. „Alles, was unterschrieben wurde, muss respektiert werden“, sagte er dem Radiosender France Inter in Paris.
Großbritannien war am 31. Januar aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende gilt eine Übergangsphase. Bis dahin wollen Brüssel und London ihre künftigen Beziehungen regeln und vor allem ein Handelsabkommen vereinbaren. Beide Seiten dringen auf einen Abschluss bis zum EU-Gipfel Mitte Oktober.
Der Fraktionschef der Konservativen, Manfred Weber (CSU), warf Johnson nun vor, Nordirland in den Verhandlungen „erneut als Geisel zu nehmen“. Der Linken-Fraktionschef und Mitglied in der Brexit-Koordinierungsgruppe des EU-Parlaments, Martin Schirdewan, forderte bei „Vertragsverletzung und Gefährdung des irischen Friedensprozesses“ einen Abbruch der Verhandlungen.
Zufrieden mit dem Streit zeigte sich der Brexit-Hardliner und langjährige Abgeordnete im EU-Parlament, Nigel Farage: Das Austrittsabkommen habe den Brexit verwässert, er freue sich daher, „dass wir es jetzt zerreißen“.