Im Konflikt um Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Türkei zur Zurückhaltung aufgerufen. Ankara sei für die EU zwar ein Schlüsselpartner, es gebe aber „keine Rechtfertigung für Versuche, Nachbarn einzuschüchtern“, sagte von der Leyen am Mittwoch im Europaparlament. Sie beklagte dabei auch die fehlende Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen in der europäischen Außenpolitik, welche die EU oft lähmten.
Seit der Entdeckung reicher Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer gibt es heftigen Streit um deren Ausbeutung. Sowohl die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern als auch die Türkei erheben Anspruch auf die betreffenden Seegebiete und untermauern diesen auch durch die Entsendung von Kriegsschiffen. Dies befördert die Sorge in der EU, dass der Streit zu einem militärischen Konflikt führen könnte.
Zypern fordert in dem Konflikt seit Wochen weitere Sanktionen gegen die Türkei und blockiert deshalb bereits ausgearbeitete EU-Strafmaßnahmen wegen der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus. Ein solches Vorgehen kritisierte von der Leyen nun und sah die nötige Einstimmigkeit für außenpolitische Beschlüsse als Hindernis für die Handlungsfähigkeit der EU.
„Warum werden selbst einfache Erklärungen zu EU-Werten verzögert, verwässert oder aus anderen Motiven als Geisel gehalten?“, fragte von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU. „Wenn Mitgliedstaaten sagen, dass Europa zu langsam ist, sage ich ihnen, dass sie (…) endlich zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit übergehen müssen.“ Dies müsse „zumindest bei Menschenrechten und der Umsetzung von Sanktionen“ möglich werden.
Die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips in diesen Bereichen hatte auch schon von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker gefordert. Die Mitgliedstaaten griffen dies aber nicht auf.
In der EU sind seit dem Reformvertrag von Lissabon inzwischen bei den meisten Politikbereichen Mehrheitsbeschlüsse möglich. Ausgenommen ist weiterhin neben der Außen- auch die Steuerpolitik.