Nach der teils chaotischen Reaktion Europas auf die Corona-Pandemie will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehr Kompetenzen der EU im Gesundheitsbereich. Sie forderte am Mittwoch im Europaparlament „eine stärkere europäische Gesundheitsunion“. Dabei müsse auch über „die Frage der Gesundheitskompetenzen“ diskutiert werden, die derzeit vor allem bei den Mitgliedstaaten liegen. Gleichzeitig warnte sie vor „Impfstoff-Nationalismus“, der Leben in Gefahr bringe.
Zu Beginn der Corona-Krise hatten die Mitgliedstaaten nicht abgestimmt auf die Pandemie reagiert. Deutschland und andere Staaten hatten etwa vorübergehend den Export von Schutzausrüstung in andere EU-Länder untersagt. Auch derzeit fehlt es noch an einer Koordinierung bei Reisebeschränkungen für Risikogebiete.
Als ersten Schritt schlug von der Leyen eine Stärkung der Krisenvorbereitung und des Krisenmanagements vor, indem die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC ausgebaut wird. Zudem regte sie die Schaffung einer europäischen Behörde für biomedizinische Forschung und Entwicklung an. Über die Verteilung der Kompetenzen im Gesundheitsbereich könne dann im Zuge der geplanten Konferenz über die Zukunft Europas diskutiert werden.
Von der Leyen verwies darauf, dass die EU nun gemeinsam die Entwicklung von Impfstoffen vorantreibe und Lieferverträge mit Herstellern schließe. „Aber es reicht nicht aus, einen Impfstoff zu finden“, sagte sie. „Wir müssen dafür sorgen, dass die europäischen Bürger und auf der ganzen Welt Zugang dazu haben.“ Hier dürfe es keinen „Impfstoff-Nationalismus“ geben.
Die Kommissionschefin will kommendes Jahr auch einen „globalen Gesundheitsgipfel“ abhalten, um auf internationaler Ebene die Lehren aus der Pandemie zu ziehen. Er soll unter der italienischen G20-Präsidentschaft in Italien stattfinden.
Von der Leyen ist seit Dezember vergangenen Jahres im Amt. Sie hielt am Mittwoch ihre erste Rede zur Lage der Europäischen Union, in der sie die Prioritäten ihrer Behörde darlegte. Sie sollte eigentlich in Straßburg stattfinden, wurde aber wegen der Corona-Pandemie nach Brüssel verlegt.