Ärzte können erstmals Gesundheitsapps verschreiben

Symbolbild: Gesundheitsapp
Symbolbild: Gesundheitsapp

In Deutschland gibt es erstmals Gesundheitsapps auf Rezept. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn nahm am Dienstag die beiden ersten verschreibungsfähigen Apps in das neue Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf. Die gesetzlichen Krankenkassen sehen „großes Potenzial“ in den digitalen Helfern, warnen aber vor überhöhten Kosten.

Bei den ab sofort verschreibungsfähigen Apps handelt es sich um eine Anwendung, die Patienten mit chronischem Tinnitus eine Verhaltenstherapie anbietet, sowie um eine App für Patienten mit Symptomen von bestimmten Angststörungen. Das DiGA-Verzeichnis wird fortlaufend ergänzt- dem BfArM zufolge befinden sich derzeit 21 weitere digitale Anwendungen in der Prüfung. 

Im DiGA-Verzeichnis werden digitale Gesundheitsanwendungen gelistet, die zuvor als Medizinprodukt CE-zertifiziert wurden, zusätzlich vom BfArM in einem sogenannten Fast-Track-Verfahren geprüft wurden. Sie können vom Arzt verschrieben oder bei entsprechender Diagnose direkt von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach von einer „Weltneuheit“. „Deutschland ist das erste Land, in dem es Apps auf Rezept gibt“, erklärte er.

Das BfArM prüft, ob eine App die vorgeschriebenen Anforderungen an Sicherheit und Funktionstauglichkeit, Datenschutz und Informationssicherheit sowie Qualität erfüllt. Auch muss der Hersteller einen Nachweis für positive Versorgungseffekte vorlegen.

Falls der Hersteller dafür noch keine ausreichende Grundlage hat, es dazu aber bereits vielversprechende Daten gibt, kann eine App ausnahmsweise in die DiGA-Liste aufgenommen werden. Die notwendige Studie sollte dann in der Regel binnen einem Jahr vorliegen.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) betonte, entscheidend sei der medizinische Mehrwert für die Patienten. „Was die Solidargemeinschaft finanziert, muss Hand und Fuß haben“, erklärte Vorstandsmitglied Stefanie Stoff-Ahnis. „Damit schützen wir die Nutzerinnen und Nutzer vor verkappten Lifestyle-Apps.“

Grundsätzlich hätten digitale Gesundheitsanwendungen „ein großes Potential für die Verbesserung der Versorgung der 73 Millionen gesetzlich Versicherten und dieses Potential wollen wir nutzen“ erklärte Stoff-Ahnis. Sie kritisierte aber das bisherige Verfahren als finanziell riskant. Sobald das BfArM eine App in das Verzeichnis aufnehme, „müssen die Krankenkassen ein Jahr lang jeden beliebigen Preis zahlen, den sich der Hersteller ausgedacht hat“.

Erst nach einem Jahr gelte das Ergebnis der Preisverhandlung, die der Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband führen werde, führte Stoff-Ahnis aus. „Hier sehe ich die große Gefahr, dass aus den Portemonnaies der Beitragszahler ein Jahr lang mehr bezahlt werden muss, als eine neue App tatsächlich wert ist.“

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink zeigte sich ebenfalls skeptisch. Die aktuelle Regelung stelle „den Nutzen für die Patientinnen und Patienten in den Hintergrund, sie gleicht mehr einer Wirtschaftsförderung auf Kosten der gesetzlich Versicherten“.

Es gebe im BfArM viel zu wenige Stellen, „um den Nutzen und die Einhaltung der Datenschutzvorgaben gründlich zu prüfen“, kritisierte Klein-Schmeink. „Sie forderte „ein Gesamtkonzept für die Nutzenbewertung und Erstattung digitaler Anwendungen“, das von den Bedürfnissen der Patienten ausgehe.

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